Unter dem Titel „Unsere Straße macht uns arm: Stadt fordert horrende Erschließungs-Gebühren“ berichtet die BILD-Zeitung heute über einen Fall aus Niedersachsen. In dem Artikel heißt es u.a., dass die Gemeinde Krebeck eine mehr als 100 Jahre alte Straße ausbauen möchte, in einem Verwaltungsschreiben an die betroffenen Grundstückseigentümer jedoch nicht von einer Straßenerneuerung ausgehe. Stattdessen sei dies eine Erschließungsmaßnahme, so die Kommune.
Das jedoch hat drastische Folgen für die knapp 20 Anlieger, denn Erschließungsbeträge sind normalerweise zu zahlen, bevor ein Grundstück bebaut wird. Allerdings ist auch immer dann, wenn die betreffende Straße – unabhängig davon, wie alt sie ist – noch niemals endgültig fertiggestellt wurde, ein Erschließungsbeitrag fällig. Selbst dann, wenn es sich – wie hier bei der Straßenentwässerung – nur ein eine sog. Teileinrichtung der Straße handelt, die noch nicht existiert.
Je nach Grundstücksgröße sei in den Briefen, die die Anwohner der wenige hundert Meter langen Straße erhalten haben, teilweise von sechsstelligen Beträgen die Rede, berichtet die BILD-Zeitung. Das missfälllt zum Beispiel dem Verband Deutscher Grundstücksnutzer, der in der Zeitung von einem „Trick der Kommunen“ spricht, „um Anlieger noch höher zur Kasse zu bitten.“ Der VDGN-Sprecher weiter: „Sie behaupten einfach, die Straße sei noch nicht endgültig fertiggestellt. Und schon können sie sich nach Erschließungsrecht 90 Prozent der Baukosten zurückholen.“
Hierzu äußert sich Rainer Sauer, Leiter der Abteilung Beiträge in Jena, wie folgt: „Das ist kein ‚Trick‘ sondern die Konsequenz einer Vorgabe des Bundesverwaltungsgerichts. Wenn in einer öffentlichen Straße Bauarbeiten stattfinden, diese aber bisher nicht über einen Straßenbeleuchtung, eine Entwässerungseinrichtung und/oder einen Gehweg verfügt, so handelt es sich dabei nicht um einen Ausbau vorhandener Teilanlagen sondern um eine erstmalige Herstellung. Hierfür sind Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch zu erheben, wenn die Kommune dies zweifelsfrei belegen kann. Daran ändert auch eine Abschaffung der Straßenbaubeiträge nichts, wie sie in Thüringen für Herbst 2019 vorgesehen ist.“
Sauers Angaben zufolge gibt es auch in Jena mehrere, Jahrzehnte alte Straßen, die aber noch nie erstmalig oder endgültigt hergestellt wurden. Auch in diesen Fällen müsse man zu gegebener Zeit tätig werden, wenn es um Beitragserhebung geht. Sauer: „In der Anhörung vor dem Innenausschuss des Thüringer Landtags im vergangenen Juni ist erneut klar geworden, dass die geplante Abschaffung der Straßenbaubeiträge in Thüringen für viele Grundstückseigentümer positiv ist. Sie beseitigt aber beileibe nicht alle Dinge, die von der Allgemeinheit im Zusammenhang mit Beitragserhebungen als ungerecht empfunden werden.“
Eine Erhebung von Beiträgen werde es in Jena und dem Rest des Freistaats selbst nach der Abschaffung der Straßen(aus)baubeiträge auch weit über 2019 hinaus geben. Straßenbaubeiträge seien noch mindestens bis 2022 zu erheben, Erschließungebeiträge auf Dauer und in allen Sanierungsgebieten bleibe es ebenso bei der Erhebung von Ausgleichsbeträgen, so der Beitragsexperte, der im August in Jena dem Stadtentwicklungsausschuss und dem Werkausschuss des Kommunalservice über die aktuelle Entwicklung im Freistaat berichten wird. / SvM
Sehen Sie zum Thema auch dieses Video des ZDF: https://www.zdf.de/nachrichten/hallo-deutschland/anwohner-entwaesserungssystem-100.html