Im Januar 2014 vermeldete die Lokalausgabe der BILD-Zeitung aus Chemnitz „Diese Straße ruiniert ihre Anwohner“. Und in der Tat: In Thalheim im Erzgebirge wurde die dortige „Äußere Bergstraße“ für rund 600.000 Euro grundhaft erneuert. Und anschließend wurden hierfür anteilig Straßenausbaubeiträge erhoben.
Besonders hart traf es dabei nach Angaben der Zeitung eine Dame, die für den Ausbau exakt 51.081,55 Euro an die Verwaltung der 6.700 Einwohner zählenden Kleinstadt zahlen sollte. Dies obwohl ihr an der „Äußeren Bergstraße“ nur eine Wiese gehört. Die Beitragspflichtige gegenüber der BILD: „Es war ein Schock! Ich habe doch gar kein Geld. Und von meinem kleinen Einkommen muss ich auch noch meine Tochter bei ihrer ausbildung unterstützen.“ Doch warum soll die Frau, die persönlich ganz woanders und zur Miete wohnt, bis Ende Januar 2014 so viel Geld überweisen?
„Ich habe von meinen Eltern eine fünf Hektar große Wiese geerbt. Dass sie wertlos ist, wird bei der Berechnung der Gebühren nicht berücksichtigt“, erzählte sie. Aber ganz offensichtlich hält die Stadt Thalheim diese 50.000 qm Wiese wohl nicht für so wertlos wie die Anliegerin, denn sonst würden ja nicht mehr als 10 Euro pro qm abgefordert werden.
Im gleichen Zeitungsartikel meldete sich auch ein Landwirt zu Wort, der für seine Grundstücke sogar rund 56.500 Euro zahlen soll. Dieser zeiget sich aber auch aus einem ganz anderen Grund sauer: „Uns wurde bei der Bauversammlung 2011 erklärt, dass keine Beiträge erhoben werden. Einem Ausbau für 600.000 Euro hätten wir nie zugestimmt“, erklärt er gegenüber der BILD. Dies hatte die Stadt 2010 in Persona des Bürgermeisters und der Hauptamtsleiterin den 60 Anliegern auch schriftlich so mitgeteilt. Kein Wunder also, dass die Eigentümer der Grundstücke sich entsetzt zeigten.
Aber was sagt man im Thalheimer Rathaus drei Jahre später dazu? „Ich bin erst seit letztem Sommer Bürgermeister, war bei den Versammlungen nicht dabei“, so Thalheims neuer Bürgermeister Dittmann. Doch er fügte auch an, dass es überhaupt nicht das Recht eines Bürgermeisters oder anderer Mitarbeiter der Stadt Thalheim sei, eine vom Stadtrat beschlossene Satzung nicht umzusetzen. „Wir dürfen die Straßenausbausatzung nicht aufheben, denn die Kommune ist auf das Geld dringend angewiesen“, wird er in der BILD-Zeitung zitiert.
Der Verwaltungsrechtler Prof. Ludwig Gramlich von der TU Chemnitz sagte vor kurzem der Zeitung Freie Presse, dass eine Stadt ihre Bürger natürlich nicht belügen dürfe. Andererseits sehe er aber eine Klage gegen die Satzung aus seiner Sicht als „eher aussichtslos“ an, wie er ausführte, doch sei es aufgrund seiner Erfahrung durchaus möglich „enstandene Schäden aus der Fehlinformation bei der Stadt geltend zu machen.“ Als Beispiel nannte Gramlich die Zinsen für die Aufnahme eines Kredits für die Begleichung der Straßenausbaubeiträge, weil der Grundstückseigentümer nach seiner bisherigen Finanzplanung davon ausgehen musste, nichts für die Straße zahlen zu müssen, da er sich auf die Aussage aus der Führungsetage des Rathausess verlassen habe.
Ein weiterer Anlieger der „Äußeren Bergstraße“ sieht sich in diesem Punkt im Recht, wie er gegenüber der Zeitung Freie Presse erklärte, denn „…wenn wir gewusst hätten, dass wir belogen werden, hätten wir uns natürlich vorab in die Planungen eingebracht und hinterfragt, ob alle Baumaßnahmen im Detail so unbedingt nötig sind. Oder ob es nicht preiswerter geht.“