Anmeldungen auf Höchststand
In diesen Tagen fand die Schuljahreseröffnung der Volkshochschule Jena in den Räumlichkeiten der vhs in der Grietgasse 6 statt. 52 junge Männer und Frauen wollen ihren Schulabschluss nachholen. Viele Gründe konnte es gegeben haben, warum diese jungen Menschen im Alter zwischen 16 und 34 Jahren ausgerechnet jetzt – vielleicht auch erst jetzt – ihren Schulabschluss machen möchten. Waren es Fluchterfahrungen, gesundheitliche Probleme oder die erst spätere Einsicht in die Notwendigkeit? War es die Erfahrung, dass mit einem Schulabschluss in der Tasche vieles leichter ist im Leben bzw. in der beruflichen Entwicklung? Ist der viel zitierte „Knoten“ erst später geplatzt? Hat Corona das gewohnte Lernen vollkommen aus dem Tritt gebracht, und der Abschluss konnte nicht geschafft werden? Oder gab es beim ersten Versuch im etablierten Bildungssystem einfach keine optimalen Bedingungen?
„Das sind natürlich Fragen, die auch wir uns stellen. Zumal das Interesse an dieser Möglichkeit, den Schulabschluss nachzuholen, in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen ist. Wir öffnen erstmalig in den 2000er Jahren vier Schulklassen. Das sind zwei Abiturklassen und zwei Haupt- und Realschulklassen. Damit managen wir neben unseren vielen anderen Aufgaben quasi den Unterrichtsumfang und die Klassen einer fiktiven einzügigen Grundschule“, so Dr. Angela Anding, Leiterin der vhs Jena.
„Das stellt uns vor große Herausforderungen. Aber andererseits ist es auch eine sehr wertvolle Aufgabe. Schließlich sprechen wir von Fachkräftemangel und wollen nicht, dass junge Menschen verloren gehen und berufliche Chancen gar nicht erst ergreifen können.“ Voller Leidenschaft für diese Aufgabe sagt dies Christian Ziege, der als stellvertretender Leiter der vhs seit 2015 u. a. den Bereich der Schulabschlüsse in der vhs organisiert und zusammen mit Sybille Zeise aus der Verwaltung der vhs immer sehr viel mehr leistet, als es Gehalt und Vertrag vorsehen.
Und so ist es auch kein Wunder, dass sich die unkomplizierte Hilfe, die zielführende und klare Beratung und Organisation und schlussendlich auch die Unterstützung während der nicht ausbleibenden kleineren und größeren Krisen im Verlauf der Schuljahre herum gesprochen haben. Und dennoch oder gerade deshalb wünscht sich die vhs Jena bei dieser Größenordnung sozialpädagogische Unterstützung – wie diese ja an jeder Schule gewährt wird.
„Aktuell sind wir in Ostthüringen die einzige Volkshochschule, die dieses Angebot vorhält. Daher ist das Einzugsgebiet unserer Schüler:innen auch recht groß. Sie kommen aus Gera, Greiz, Apolda – die meisten jedoch aus Jena und Umgebung“, erklärt Anding.
Was ist denn nun so anders an dieser Art, einen Schulabschluss zu machen?
Ganz sicher ist hervorzuheben, dass die Schüler:innen – oder wie die Volkshochschule sie benennt: die Teilnehmenden – in den meisten Fällen die Schulbank nach der Arbeit und neben Kindern und Familie drücken. Das nötigt allen Beteiligten in jedem Schuljahr aufs Neue großen Respekt ab. Schließlich finden sich alle täglich von Montag bis Freitags ab 17:00 Uhr in der vhs ein und lernen bis in die späten Abendstunden.
„Auch unsere Teilnehmenden erhalten Hausaufgaben, müssen nacharbeiten, viel lernen oder Vokabeln pauken. Und das Arbeitspensum gerade in den Wochen vor den Prüfungen ist enorm. Hier braucht es eine sehr hohe Motivation und riesiges Durchhaltevermögen. Dabei verlieren wir immer auch einige Teilnehmende. Oder manche kommen auch nach einigen Jahren noch einmal und probieren es aufs Neue. Die Bestehensquote lag im letzten Schuljahr bei den Haupt- und Realschülern bei 90 Prozent“, weiß Christian Ziege und führt weiter aus: „Das ist ein sehr gutes Ergebnis, auf das wir wirklich stolz sein können.“
Worin liegt außerdem das Geheimnis des Erfolges?
In diesem Schuljahr arbeitet die vhs mit 18 freiberuflichen Lehrkräften zusammen. Das können pensionierte Lehrer:innen, Lehramtsstudierende, Referendar:innen oder auch Lehrkräfte aus dem regulären Schuldienst sein. Alle eint, dass sie diese Aufgabe keinesfalls nur wegen des Honorars übernommen haben. Alle arbeiten sehr engagiert mit den Teilnehmenden, bieten nicht selten zusätzliche Unterstützung an und sind sowieso immer bereit zum Gespräch.
Christian Blum, seit 2019 an der vhs Jena als Dozent für Politik und Sozialkunde tätig, sagt zu seiner Motivation, als Lehrer für Sozialkunde mit an Bord zu sein: „Ich habe Freude daran, junge Menschen auf Ihrem Weg zum Schulabschluss zu begleiten, und bin der Meinung, dass jede:r eine zweite Chance verdient hat. Es erfüllt mich zu sehen, wie die jungen Menschen am Ende strahlend und erleichtert ihr Zeugnis in der Hand halten, und damit eine Anerkennung für die harte Arbeit und das fleißige Lernen in dem Schuljahr bekommen. Viele von Ihnen bestreiten schließlich den Abschluss parallel zur Arbeit, und das verdient meinen höchsten Respekt. Es bereitet mir Freude, die Teilnehmer:innen dazu zu befähigen, dass Sie nach ihrem Abschluss als emanzipierte und politisch gebildete Menschen die vhs verlassen und somit mit einem kritischen Blick und vielen guten Gedanken in ihre Zukunft starten können.“
Was sind eigentlich die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen und wie erfolgen die Prüfungen?
Laut Thüringer Schulordnung sind die Volkshochschulen beauftragt, auf externe Schulabschlüsse durch Kurse vorzubereiten. Wie und mit welchem Stundenvolumen die Volkshochschulen dies erreichen, obliegt jeder vhs selbst. In Jena werden pro Schuljahr und Klasse nunmehr 750 Unterrichtseinheiten angeboten. Dies ist aus Sicht der vhs Jena und vor allem der Lehrkräfte notwendig.
Der Eigenbeitrag der Schüler:innen liegt bei 1.200 Euro für ein Schuljahr. Darüber hinaus fördert das Land die externen Schulabschlüsse, sonst wäre ein nachträglicher Schulabschluss für die meisten Schüler:innen nicht finanzierbar.
Die Teilnehmenden, die einen externen Abschluss absolvieren möchten, erhalten keine Vornoten (wie in der Schule), sondern müssen sich einzig in den Prüfungen auf Notenbasis beweisen. Sie absolvieren auch mehr Prüfungen als die Prüflinge im regulären Schulbetrieb. Außerdem werden die Prüfungen nicht in der vhs Jena und von den gewohnten Lehrer:innen abgenommen, sondern an einer Schule, die das Schulamt bestimmt.
Die vhs-Lehrkräfte bereiten natürlich sehr prüfungsnah vor (z. B. auch mit Probeprüfungen), sind bei den mündlichen Prüfungen in der Regel dabei, sind aber nicht prüfungsberechtigt. Hier wird deutlich, welchen emotionalen Stress viele der „Externen“ sicher haben: Sie lernen ein oder zwei Jahre in der vhs mit bestimmten Lehrer:innen. Der Prüfungsort und die prüfenden Lehrkräfte sind ihnen dann aber in der Regel unbekannt. Für diese schulen ist die Prüfungsabnahme bei den externen Schüler:innen eine zusätzliche Verpflichtung, die auch nicht extra honoriert wird, sondern vielmehr Teil der Dienstverpflichtung ist.
„Wir wissen, dass diese sehr gute Zusammenarbeit – in der Vergangenheit und zum Teil bis jetzt mit dem Carl-Zeiss-Gymnasium, dem Otto-Schott-Gymnasium, der KGS Adolf Reichwein, dem Angergymnasium und der Galileo-Schule – alles andere als selbstverständlich ist. Und so wollen wir uns auf das Herzlichste bei den prüfenden schulen für die alljährlich sehr gute Zusammenarbeit voller Verständnis für die besonderen Umstände, unter denen „unsere“ Teilnehmenden lernen, bedanken. Nun starten wir ins neue Schuljahr – wie gesagt mit Höchstzahl bei den Anmeldungen. Wir wünschen allen Teilnehmenden viel Erfolg und freuen uns auf die weitere gute Kooperation mit allen Beteiligten.“ (Angela Anding, Leiterin der vhs Jena).
Wir finden: alle, die sich, wie und wo auch immer, auf den Weg machen, noch etwas zu lernen, verdienen unseren Respekt. Und auch die natürlich, die ihnen etwas beibringen. Wir wünschen viel Erfolg und unbedingt auch Spaß und ein gutes Miteinander.
Und falls Sie auch Wissensdurst verspüren, unsere vhs bietet sooooo viele Möglichkeiten, sich weiter zu bilden. Schauen Sie mal ins aktuelle Programm!