Ältere Menschen und Babyboomer in Jena
Forschende aus Kaiserslautern stellen Ergebnisse Ihrer Befragung vor.
Wie wohnen die Menschen in Jena? Wie bewerten sie ihre Wohnung, ihre Wohngegend, die Angebote vor Ort und den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Sind Unterschiede zwischen den Ortslagen in Jena erkennbar? Wie hoch ist die umzugsbereitschaft im Alter und welche Motive gibt es für Wohnungswechsel? Und wie selbstverständlich werden digitale Medien genutzt? Dies sind Fragen, die das Team der Stadtsoziologie der RPTU Kaiserslautern den Bürgerinnen und Bürgern der Jahrgänge 1947 bis 1972 gestellt hat. Am Mittwoch wurden die Ergebnisse der Studie in Jena öffentlich vorgestellt.
Im Fokus der Studie stehen die so genannten „Babyboomer“ – die Alterskohorte der heute 53- bis 67-Jährigen, die zu Zeiten hoher Geburtenraten (dem „Babyboom“) nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden. Hierbei handelt es sich um eine große Gruppe mit unterschiedlichen Lebenslagen, Lebensformen und Lebensstilen. In den kommenden Jahren werden immer mehr „Babyboomer“ in das Rentenalter eintreten. Gleichzeitig ist bislang nur wenig über deren Wohnwünsche und Ansprüche an (Wohn-) Standorte, Mobilität, Einstellungen und Verhaltensweisen bekannt. Prof. Dr. Annette Spellerberg und ihr Team haben daher in sieben Städten und Gemeinden in Deutschland Befragungen der älteren Erwachsenen durchgeführt. Ziel war es, mehr über das Alltagsleben, die Wohnsituation und die Wahrnehmungen der Babyboomer und der angrenzenden Jahrgänge zu erfahren.
Martin Berger, Kämmerer der Stadt Jena und Koordinator für das Smart Ageing-Forschungsprojekt bei der Stadt Jena, ordnet die Umfrageergebnisse ein: „Die präsentierten Ergebnisse mit Schwerpunkt Wohnen sind ein erster Schritt, weitere werden folgen. Bei der Vorstellung wurde besonderes Interesse an den Themen Gesundheit und Mobilität geäußert. Hierzu soll es weitere Fachgespräche in kleinerem Rahmen geben. Neben unmittelbaren Verbesserungsvorschlägen, die sich aus den Umfragen ergeben, geht es vor allem um den Aufbau eines IT-Systems zur Unterstützung kommunaler Planungen und Entscheidungen. Dazu haben wir als Verwaltung bereits viele Daten geliefert aus den Bereichen Geoinformation, Statistik, Soziales, Haushalt usw. Diese sind zusammen mit den Umfrageergebnissen dann die Grundlage des zu wählenden Systems, welches auch im Rahmen des Smart City-Projekts mit unterstützt wird.“
Ergebnisse der Befragung
3.000 Fragebögen wurden an zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger versendet, 879 und damit 29 % der angeschriebenen Personen haben sich an der Befragung postalisch oder online beteiligt. Dies entspricht einem sehr guten Rücklauf, wie Annette Spellerberg betont.
Die Hälfte der Befragten hat (Fach-)Abitur, etwas mehr als ein Viertel der befragten Babyboomer ist bereits in Ruhestand, dies betrifft die Hälfte aller Befragten. Zwei Drittel der Babyboomer bekunden einen (sehr) guten Gesundheitszustand.
Die Mehrheit der befragten Babyboomer wohnt schon sehr lange in Jena. Ein gutes Drittel der Babyboomer lebt bereits seit Geburt in Jena, etwas mehr als ein Viertel ist nach der Wiedervereinigung zugezogen. Als häufigster Zuzugsgrund wurden eigene berufliche Gründe genannt, gefolgt vom Zusammenziehen mit einem Partner oder einer Partnerin. Mit Jena fühlen sich 8 von 10 Babyboomer und 9 von 10 der älteren Befragten stark verbunden.
Nahezu die Hälfte der Befragten lebt in Eigentum. Bei den Babyboomern findet ein Viertel der Eigentümer die Wohnung zu groß, mehr als jede:r zehnte Mieter:in die Wohnung zu klein. Insgesamt ist die Zufriedenheit mit der Wohnung sehr hoch: 9 von 10 sind sehr zufrieden, unabhängig vom Alter.
Mit der Ausstattung und den Infrastrukturen sind die Befragten aus Jena überdurchschnittlich häufig zufrieden und hierbei insbesondere mit der Volkshochschule, den Bibliotheken, den Parks- und Grünanlagen sowie den kulturellen Angeboten. Insgesamt weniger zufrieden sind sie mit den Einrichtungen für Senioren und mit Treffpunkten (Gemeinde-/Bürgerhäuser).
Etwas mehr als ein Drittel der befragten Babyboomer kann sich vorstellen, umzuziehen, jeder Zehnte hat dies konkret vor. Hauptgründe sind der Wunsch nach einer altengerechten, barrierefreien Wohnung, die Nähe zu Kindern und eine zu teure Wohnung. Bei einem umzug im Alter steht das selbständige Wohnen in der eigenen Wohnung bzw. dem eigenen Haus im Vordergrund und nicht etwa Sonderwohnformen.
Smartphones und Laptops sind für die Mehrheit der Befragten Standard. Rund die Hälfte aller Befragten fühlt sich (eher) kompetent im Umgang mit dem Internet und 8 von 10 stimmen zumindest teilweise zu, dass sie von der Digitalisierung profitieren. Etwas mehr als die Hälfte aller Befragten möchten mit Behörden digital in Kontakt treten. Jeder sechste würde dabei jedoch Unterstützung benötigen.
Die Studie ist eingebettet in das Forschungsprojekt „Ageing Smart – Räume intelligent gestalten", für das die Stadt Jena als eine von sieben Modelkommunen ausgewählt wurde. Ziel ist es, Städte und Gemeinden bei der Planung und Koordination ihrer Angebote zu unterstützen. Das Forschungsprojekt wird von der Carl-Zeiss-Stiftung gefördert.
Kontakt:
- Prof. Dr. Annette Spellerberg (Projektleitung, Fachgebiet Stadtsoziologie, RPTU):
spellerberg@ru.uni-kl.de - Dr. Lynn Schelisch (Projektkoordination der Modellkommunen, RPTU):
schelisch@ru.uni-kl.de
Website: www.ageing-smart.de
Twitter: @ageing_smart