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Der Fingerzeig des Maceo Parker - <strong>kulturarena</strong> 2024 (3. Juli - 18. August 2024 Theatervorplatz Jena)

News // 12.04.2022

Der Fingerzeig des Maceo Parker

Ein Interview mit Thomas Adapoe

Im ersten Leben war der studierte Musiker Thomas Adapoe Gitarrist und Sänger der Band Mr. Adapoe. Als reine Liveband brachte die Formation Soul mit Blues- und Jazzeinflüssen auf die Bühnen der DDR, spielte 1988 sogar in Berlin Weißensee im Vorprogramm für The Wailers und James Brown vor zehntausenden Zuschauern. Als Techniker kam Adapoe bereits 1992 zur ersten kulturarena und sorgt mit seiner Firma bis heute dafür, dass es im Arenarund laut und hell ist.

Auf der Homepage eurer Firma steht, dass alles mit einem Mikrofon begann. Du hast selbst Musik gemacht?

Das liegt weit in der Vergangenheit. Ich habe in Weimar Musik studiert und über einige Jahre eine eigene Band gehabt, Mr. Adapoe. Das war noch zu DDR-Zeiten. Damals war ich ausschließlich als Musiker unterwegs und hatte noch keine Verbindung zu technischen Dingen. Nach der Wende entstand dann ein enger Kontakt nach Jena. Wir haben 1991 zu den Pantomime-Tagen in einem Zelt auf dem Theatervorplatz gespielt. An dem Abend lernte ich Norbert Reif, den damaligen Kulturamtsleiter, kennen und so entstanden die ersten Verbindungen. Etwa zeitgleich habe ich mich in meinem Leben umorientiert und erkannt, dass das Projekt mit der Band und das Musikmachen für mich keine Zukunft haben.

Bereiche wie Studioproduktion oder Tour-Management für Bands rückten in meinen Fokus. Auch da existierte die Verbindung zur Technik noch nicht in einem so ausgeprägten Maß.

Über die kulturarena kam es dann dazu, dass ich mich immer weiter diesem Feld gewidmet habe. 1992 klingelte irgendwann das Telefon: “Kannst du da vielleicht mal kommen? Wir haben da eine Band und brauchen noch ein bisschen Unterstützung, Maceo Parker.” Das war die erste Berührung mit dieser jungen kulturarena. Ich war sofort begeistert, auch darüber, Kontakt zu diesen internationalen Künstlern zu haben. Für mich wurde schnell klar, dass ich das ausbauen will.

So ist unsere Firma, die ich mit meinem Geschäftspartner Jörg Kromphardt-Blumenstein betreibe, mit diesem Festival gewachsen. Wir starteten etwa zur gleichen Zeit, ganz klein, mit ganz wenig Material und sind gemeinsam mit der kulturarena erwachsen geworden.

Du wurdest zum Konzert von Maceo Parker angerufen, da stand alles und du hast das abgemischt?

Dass alles stand, wäre vielleicht etwas übertrieben. Die Anfangszeiten der kulturarena lassen sich gar nicht mehr mit dem heutigen Standard vergleichen. Damals musste die Technik jeden Tag komplett auf- und abgebaut werden. Es gab noch nicht die Tribüne und auch die Bühne existierte so nicht. Das wurde zügig weiterentwickelt, aber die ersten beiden Jahre herrschten ganz andere Bedingungen.

Zum Konzert mit Maceo Parker kam ich als Techniker hinzu. Die Anlage kam vom Volkshaus. Die war für die damalige Zeit schon recht fortschrittlich. Damals wurde viel improvisiert. Die Abläufe waren nicht so klar, wie das heute der Fall ist. Maceo Parker musste zum Beispiel am Nachmittag noch schnell zum MDR nach Gera, weil dort ein Ankündigungsbeitrag gedreht werden sollte. Da bin ich mit Fred Wesley, Pee Wee Ellis und Maceo Parker nach Gera gefahren. Mit meinen Heroes! Das war die Musik, die ich mir früher mühsam vom Band abgehört hatte, um sie nachzuspielen. Das war unglaublich aufregend und unglaublich schön!

Als Musiker wusstest du wahrscheinlich, wie etwas klingen muss. Aber woher kam das technische Verständnis? Es scheint mir als Außenstehender eine Kunst, eine Band diesen Genres auch wirklich klingen zu lassen.

Bei dem Konzert von Maceo Parker war ein eigener Techniker dabei. Aber es ist ein großer Vorteil, wenn man eine musikalische Vorbildung hat, sich grundsätzlich in Genres auskennt und weiß, wie etwas klingen muss. Man muss sich dann aber auch mit den physikalischen Gegebenheiten beschäftigen, um seine Klangvorstellungen erreichen zu können. Das habe ich mir Stück für Stück erarbeitet. Damals war das Berufsbild “Fachkraft für Veranstaltungstechnik” oder der Studiengang “Toningenieur” nicht so verbreitet wie heute oder noch gar nicht existent. Viele sind als Quereinsteiger dazu gekommen und haben sich das selbst angeeignet. Das ist heute anders.

Maceo Parker – Shake everything you’ve got

Ab wann hattest du dann die Verantwortung für die Technik inne?

Das dürfte 1994 mit der Gründung unserer Firma zusammenfallen. Vorher waren Jörg und ich noch freiberufliche Einzelkämpfer. Seit dieser Zeit haben wir dann unsere eigene Ton- und Lichttechnik auf der kulturarena eingesetzt. Die Herausforderungen von damals scheinen heute unvorstellbar: Das tägliche Auf- und Abbauen, jedes Mal Lautsprechertürme stapeln. Aus irgendeinem Grund, wahrscheinlich finanzieller Natur, war es noch nicht üblich, dass jedes schwere Flightcase auch Räder hat. Da wurde viel herumgetragen und wahrscheinlich der ein oder andere Rücken geschädigt.

Auch die Sicherheit, die wir heute haben, lässt sich nicht mit der Sicherheit des Ablaufs von damals vergleichen. Da gab es mal ein Kabelausfall bei der Band oder bei uns, da hat hier mal was geknackt – das wurde über die Jahre enorm professionalisiert. Trotzdem muss man sagen, dass das Ergebnis damals nicht wirklich schlechter war. Ich glaube, es schwärmen viele heute noch von Konzerten, die über Beschallungsanlagen stattgefunden haben, die man heute eher als “suboptimal” bezeichnen würde. Nicht falsch verstehen: Die Technik ist eben immer nur die eine Seite. Den überwiegenden Teil machen die Künstlerinnen und Künstler aus. Auf sie einzugehen, zu erkennen, wo die individuellen Wünsche sind, ist damals wie heute der entscheidende Punkt.

Ich habe dich das erste Mal auf einem Zeitungsfoto aus den 90ern gesehen, da schaust du kritisch in den Himmel. Ist das Wetter eine Einflussgröße?

Man hätte damals beim heiteren Beruferaten mit Robert Lembke genau diesen Blick gemacht und gefragt: Was bin ich?

In den Anfangsjahren hat das Wetter eine viel entscheidendere Rolle gespielt als es heute der Fall ist. Letztlich ist die kulturarena immer ein Open Air gewesen. Vom ersten Tag gab es nach meiner Erinnerung nur einmal die Entscheidung, dass man draußen alles abbaut und im Theaterhaus wieder aufbaut. Maria João, eine portugiesische Fado-Sängerin. Das Wetter sah wirklich mies aus und Norbert Reif blickte pfeiferauchend in den Himmel und dann fiel die Entscheidung, dass wir reingehen. Das war ein unglaublicher Aufwand und wahnsinnig hektisch. Alle waren vom Regen durchnässt und gleichzeitig komplett durchgeschwitzt. Das Konzert hat dann drinnen stattgefunden und den Gästen hat es gefallen, aber es war eben nicht “die” Open-Air-kulturarena, wie wir sie schätzen.

Aus dieser Erfahrung heraus hat man sich danach auch bei Regen immer für die Open-Air-Variante entschieden. Solang keine Sturm- und Unwetterwarnungen gelten, die ausschließen, dass überhaupt Publikum auf den Platz gelassen werden kann, wird die kulturarena immer draußen stattfinden. Die technischen Möglichkeiten erlauben das. Die Bühne ist überdacht, wenn auch nicht komplett regensicher. Aber da sind wir gut darauf vorbereitet. Das Material auf der Bühne hat entsprechenden Regenschutz.

Über die Jahre gab es nur ganz wenige Ausfälle und die kamen dadurch zustande, dass man den Platz aus Sicherheitsgründen wirklich räumen musste. Vielleicht wird es das bei den extremen Wetterbedingungen in Zukunft häufiger geben. Aber es wird keine Alternative sein, ins Theaterhaus umzuziehen oder eine Indoor-Veranstaltung daraus zu machen.

Atmosphäre durch Licht von Adapoe ©Christoph Worsch

Über einen Sommer kommen viele verschiedene Musikstile auf die Arenabühne, wie deckt man das ab?

Die kulturarena ist eines der wenigen Festivals, das eigentlich nicht genrespezifisch ist, sondern extrem in die Breite geht. Daraus entstehen Herausforderungen für die Produktion. Es ist ein Unterschied, ob ich ein “Hörkonzert” mache, bei dem es wichtig ist, dass es im Publikum ruhig ist und die Leute auch sitzen sollten, oder ob ich ein Punk-Konzert mache. Um diese Spanne abzudecken, ist es natürlich wichtig, zu überlegen, wie der Platz für den Abend gestaltet werden muss, damit das Konzert den Erwartungen von Künstlern und Publikum gerecht wird. Dafür braucht es einen Platz, der möglichst flexibel ist. Dann kann man auch problemlos Sitzmöglichkeiten stellen, die auch noch stehen, wenn mal drei Regentropfen gefallen sind und nicht im Schlamm versinken. All diese Dinge haben sich über die Jahre professionalisiert und perfektioniert. Dadurch ist es auch heute noch möglich, das Festival in der Breite durchzuführen.

Bringen die Bands ihre Technik selbst mit oder stellt ihr alles zur Verfügung?

Über einen Sommer sind alle Fälle vertreten. Viele der Künstler kommen mit einer ganzen Produktion. Das bedeutet, sie kommen nicht nur mit ihren Notenblättern, das gibt es allerdings auch. Aber die meisten Produktionen bringen einen Großteil selbst mit, zum Beispiel eigene Mischpulte. Einmal das sogenannte Front of House Pult [kurz FOH], da wird der Sound für das Publikum gemischt und dann gibt es meist ein weiteres für den Monitor-Sound [Sound auf der Bühne]. Oder sie bringen bestimmte Lichtelemente mit.

Wir klären dann im Vorfeld ab, welche Vorbereitungen für diesen speziellen Abend getroffen werden müssen. Bands bringen aber nie eigene Lautsprecher oder sämtliches Licht mit. Grundsätzlich können wir die komplette Technik stellen – Tonpult, Lichtpult, Scheinwerfer, Backline. Aber das Wesentliche ist die genaue Absprache zwischen der Produktion und uns örtlichen Kräften, damit klar ist, ob zum Beispiel ein Schlagzeug gebraucht wird.

Unser großer Technik-Vorrat vor Ort ist heute der Garant dafür, dass die Produktionen reibungslos ablaufen und Künstlerinnen und Künstler gern zur kulturarena kommen. Ich glaube, dass alle Künstlerinnen und Künstler, sich hier deshalb sehr willkommen fühlen – in diesem Theaterhaus und mit dieser Crew. Da legt JenaKultur auch sehr viel Wert drauf. Es ist ja so: Je älter ein solches Festival wird, desto größer ist die Gefahr, dass sich Dinge einschleifen. Routine ist wichtig, aber sie kann auch zu Problemen führen. Aber das ist ein gutes, ausgewogenes Verhältnis in der kulturarena.

Das klingt so, als hättet ihr ein riesiges Techniklager in der Nähe, auf das ihr im Notfall zurückgreifen könnt.

Da würde ich eher von gut vorhandenen Netzwerken sprechen. Es kann natürlich passieren, dass die Gitarren nicht aus dem Zoll herausgekommen oder verschwunden sind. Da gibt es in Jena unter allen Mitwirkenden die Bereitschaft zu schauen, wer kennt wen, der vielleicht noch einen Kontrabass hat. Auch in Situationen, in denen Bands ausgefallen sind und bis eine Stunde vor dem Konzert gebangt wurde, ob es stattfindet, ist es in Jena möglich, eine andere Formation zu finden, die den Abend rettet.

Aber mal etwas weg von der Technik: En Festival, das 30 Jahre läuft, muss sich auch immer wieder regenerieren, muss sich neu erfinden, muss schauen, wie man mit den Generationen mitgeht. Das Festival entwickelt sich weiter. Das ist das Wesentliche in der Arbeit von Lutz Engelhardt und der Crew, dass man eine Bestandsaufnahme macht und schaut, wo man hin möchte. Der Kern des Festivals, dieses breite Angebot, ist immer noch da. Genau wie die Bereitschaft zu experimentieren. Und das geht nur, wenn man die Mittel und die Leute hat, mit denen das Experiment möglich ist.

Ich kann leicht über die 90er Jahre kulturarena schwärmen, wie toll das damals alles war, aber es ist nicht nur das. Auch ich möchte zur kulturarena gehen und überrascht werden. Und das passiert. Obwohl ich vielleicht vorher noch nicht mit dem Genre in Berührung gekommen bin und eher mit dem Eindruck kam, dass das vielleicht nicht mein Abend wird. Und dann passiert es eben doch. Das ist das Wichtige und Schöne an der kulturarena, dass man immer wieder dasteht und denkt „Wow, was war das denn jetzt?“. Und das passiert seit 30 Jahren. Natürlich überzeugt nicht jedes Konzert alle Hörer, mich auch nicht. Vielleicht hat man Erwartungshaltungen, die enttäuscht werden, weil man eine Band schon über viele Jahre verfolgt. Dann sieht man sie zum ersten Mal live und die persönliche Erwartungshaltung wird eben nicht immer erfüllt.

Also schaffst du es trotz deiner beruflichen Verpflichtungen immer noch, mit einem „privaten Ohr“ zuzuhören, was da passiert?

Definitiv. Nicht jedes Konzert entspricht meinem persönlichen Geschmack, aber intensives Zuhören überwiegt noch immer. Selbst jetzt, nach all den Jahren, werde ich noch an Dinge herangeführt, die ich nicht kannte. Ich hole aus der kulturarena musikalische Inspirationen in mein Privatleben und das passiert hoffentlich in diesem Jahr wieder. Ich höre sehr viel Musik und jetzt sogar mehr als früher. Als Musiker habe ich mich hauptsächlich mit Dingen beschäftigt, die meiner eigenen Musik ähnlich waren. Heute ist mein persönlicher Geschmack viel breiter, auch Dank der kulturarena. Auch wenn ich musikalisch wohl eher im Jazz- und Soulbereich beheimatet bin, gab es jenseits davon immer auch andere Genres und Künstler, die mich beeindruckt haben. Zum Beispiel Les Tambours Du Bronx, eine Band, die nur auf Fässern getrommelt hat. Da kam eine Kraft von der Bühne, da wurden Bilder erzeugt...unglaublich. Oder Pascal Comelade, der es schaffte, nur mit einem Mini Klavier eine Menge von vielleicht 600-700 Leuten so in seinen Bann zu ziehen, dass alle mucksmäuschenstill zuhörten.

Les Tambours Du Bronx – Extreme

Obwohl dein Arbeitsalltag aus Licht und Klang besteht, kannst du privat immer noch Musik hören?

Mein Job hat sich über die Jahre stark verändert. Ich bin in den seltensten Fällen oder eigentlich überhaupt nicht mehr die Person hinter dem Mischpult. Meine Arbeit spielt sich mittlerweile zu 90 Prozent am Schreibtisch ab. Ich übernehme eher die Absprachen mit den Künstlern. Dadurch habe ich vielleicht noch mehr Lust darauf, am Abend eine Schallplatte aufzulegen und ganz bewusst zu konsumieren.

Du hast die spezielle Arbeitsatmosphäre in der Arena erwähnt. Was meinst du damit genau?

Ja, da ist etwas, das immer da ist, auch wenn sich die Strukturen verändert haben. Ich glaube, das wird von Generation zu Generation weitergegeben. Es ist ein WIR, ein gemeinschaftliches Arbeiten. Das heißt nicht, dass alles basisdemokratisch entschieden wird. Das würde bei einem Festival dieser Größenordnung auch nicht funktionieren.

Es gibt Hierarchien und verschiedene Aufgaben. Aber all das geschieht immer im Rahmen eines gemeinsamen „Wir“-Gefühls. Alle haben ihre Stellung inne und es gibt eine Achtung für die Arbeit der anderen. Es ist egal, ob es die Produktionsleitung ist oder die studentische Hilfskraft, die nach dem Konzert den Platz kehrt. Man hat immer den Eindruck, dass jeder jeden kennt und mit jedem sprechen kann.

Das überträgt sich auch auf die Bands. Häufig kommen die das zweite oder dritte Mal zur kulturarena und man merkt, wie positiv sie sich an ihren ersten Auftritt erinnern und wie sie sich geborgen fühlen. Und das unterscheidet die kulturarena von vielen anderen Festivals. Hier gibt es viele Einzigartigkeiten. Das Haus ist an sich schon einzigartig, das zerteilte Theater, das sich jetzt als Glücksfall erweist. Es ist doch so: Künstler spielen meist im perfekten Umfeld – Festivalbühnen, die irgendwo in die Prärie gestellt werden und dann hat jede Band ihren Container – da gibt es wenig, das hängen bleiben kann. Und bei Jena gibt es davon eben viel.

Hinter diesem spannenden Interview steckt Florian Ernst:

30 Jahre kulturarena – gemeinsam mit Friedrich Herrmann genieße ich ein Privileg, das sonst der „Sendung mit der Maus“ vorbehalten ist und darf hinter die Kulissen blicken. Ich freue mich auf die Eindrücke und darauf, sie zu teilen.

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