Fragen und Antworten zu den städtischen Kindergartenplätzen
Warum werden Kindergartenplätze eingespart?
In Jena gibt es 73 Kindergärten bei 26 verschiedenen Trägern. Der größte Träger ist die Stadt selbst. Sie bietet Plätze in 11 kommunalen Kindergärten an. Zum Stichtag 01.03.2023 lebten 6.115 Kinder im Alter von 0-6,5 Jahre in Jena. Davon wurden zu diesem Stichtag 5.375 Kinder in den Kindergärten mit einer Kapazität von 6.113 Plätzen betreut.
Über die Notwendigkeit der Einsparungen gibt der Beschluss des Stadtrates Nr. 23/2115-BV, beschlossen am 27.09.2023, umfassend Auskunft.
Seit 2020 ist eine Trendwende der Geburtenentwicklung zu verzeichnen. Die Anzahl der jährlichen Geburten ist deutlich rückläufig. Waren die Jahrgänge 2017-19 noch 1.000-1.100 Kinder stark, so waren es in den Jahren 2020 bis 2023 in jedem Jahrgang weniger Geburten. Im Jahr 2023 ist die Zahl der Geburten auf den bisher niedrigsten Stand von ca. 750 Geburten gesunken. Das ist ein Viertel der Kinder weniger, die noch im Jahr 2018 geboren wurden.
Die Trendwende der Geburtenentwicklung seit 2020 führte schnell dazu, dass die Anzahl der nicht benötigten Kindergartenplätze auf aktuell ca. 800 Plätze angestiegen ist. Die durchschnittlichen Auslastungen der Kindergärten bewegten sich im November 2023 in einer Bandbreite zwischen 43 % und 97 %.
Es besteht damit die komfortable Situation, in fast jeder beliebigen Einrichtung der Stadt einen Kindergartenplatz bekommen zu können. Jegliche Anfrage nach einem Kindergartenplatz, auch für Gastkinder aus dem Umland, kann unmittelbar positiv beantwortet werden.
Das Personal der Kindergärten bemisst sich nach der Anzahl der angemeldeten vorhandenen Kinder zu definierten Stichtagen. Nur auf dieser Basis wird es für die Träger vom Land refinanziert. Deshalb gibt es im Gegensatz zur Raumsituation keine Personalüberhänge.
Die Kosten für die nicht ausgelasteten Häuser trägt die Stadt allein. Auf die 800 nicht benötigten Plätze gerechnet handelt es sich um ein Finanzvolumen von jährlich 2,7 Millionen €, das für die Gebäudekosten nicht benötigter Kindergartenplätze ausgegeben wird.
Aufgrund der schwierigen Vorhersehbarkeit des Umfangs künftiger Geburtenjahrgänge wurde vereinbart und mit Stadtratsbeschluss 23/2115-BV beschlossen, zunächst nur 500 Plätze in einem zeitlichen Rahmen bis Ende 2027 einzusparen, um mit der dann noch vorhandenen, großzügig gerechneten Kapazität auch auf wieder steigende Geburtenzahlen reagieren zu können. Aktuell ist eine solche Entwicklung in den kommenden fünf Jahren nicht absehbar.
Wie soll die Einsparung von 500 Kindergartenplätzen umgesetzt werden?
Der Jugendhilfeausschuss hat in seiner Sitzung im Juni 2023 zunächst eine Freiwilligkeitsphase für die Träger beschlossen, in der die Träger selbst Vorschläge bzw. Maßnahmen vorschlagen können, die Kindergartenplätze einsparen. Diese Vorschläge und Maßnahmen umfassen beispielsweise das Zusammenlegen von Kindergärten des gleichen Trägers in einer Immobilie unter Auf- bzw. Rückgabe einer anderen Immobilie, die gemeinsame Nutzung eines Hauses durch zwei Kindergärten unterschiedlicher Träger oder auch die Rückgabe von vermietbaren Flächen an den Immobilieneigentümer bzw. den Immobilienverwalter, die dann den Umfang der von der Stadt zu finanzierenden Flächen verringern.
Kommen damit nicht ausreichend einzusparende Plätze zusammen, wird die ebenfalls vom Jugendhilfeausschuss beschlossene Prioritätenliste für gegebenenfalls noch weitere, erforderlich werdende Einsparungen zugrunde gelegt.
Diese Prioritätenliste sortiert die Kindergärten nach Auslastung und Finanzierung- bzw. Wirtschaftlichkeitskriterien. Diese Finanzierungs- und Wirtschaftlichkeitskriterien sind beispielsweise für Sanierung ausgereichte Fördermittel, die in einer bestimmten Frist, bei Änderung des Zwecks der mit diesen Mitteln sanierten Immobilie, zurückgezahlt werden müssten oder Immobilien, die mit großem finanziellen Aufwand mit der Zweckbindung Kindergartennutzung unmittelbar in den letzten Jahren und Monaten fertig saniert wurden.
Aktuell besteht die Hoffnung, dass noch in der Freiwilligkeitsphase die Größenordnung der 500 einzusparenden Kindergartenplätze im Einvernehmen mit den Trägern erreicht werden kann. Dazu zählt auch die Platzkapazität des kommunalen Kindergartens „Pinocchio“.
Warum kann von der Stadt nicht einfach akzeptiert werden, dass bei schwindenden Kinderzahlen für die verbleibenden Kinder mehr Platz für die pädagogische Arbeit genutzt wird, ohne dass Kindergärten aufgegeben werden müssen? Im Zusammenhang mit der Einführung des Rechtsanspruchs in den vergangenen Jahren wurden die Kapazitäten der Kindergärten erhöht. Kann man diese Verdichtungen nicht zurücknehmen?
Wie schon dargestellt, hat sich der Stadtrat für die Stadt dazu bekannt, für die als Kindergarten genutzten Immobilien der Träger die gesamten Kosten zu übernehmen. Diese Kosten fallen auch dann in vollem Umfang an, wenn die Kapazität des Kindergartens nicht voll ausgeschöpft wird. Die laufenden Verbrauchskosten für Heizung, Reinigung, Hausmeisterbetreuung sowie die Abschreibungskosten sind trotz schwindender Auslastung weiter im vollen Umfang zu finanzieren. Diese belaufen sich auf alle Einrichtungen gerechnet im Laufe eines Jahres überschlägig auf 13 Millionen €.
Dieses Geld wird für die Arbeit der Stadtverwaltung gerade auch im sozialen Bereich dringend benötigt.
Durch die Verdichtung in den vorangegangenen Jahren aufgrund der Gewährleistung des Rechtsanspruches auf einen Kindergartenplatz, der Flüchtlingskrisen und der Ukrainekrise wird häufig gesagt, dass die Verhältnisse in den Kindergärten mutmaßlich beengt sein sollen. Warum kann die Gelegenheit der rückläufigen Inanspruchnahme der Kindergartenplätze nicht genutzt werden, um mehr Fläche und mehr Raum für die Kinder zu ermöglichen?
Die Verdichtung in den zurückliegenden Jahren erfolgte durch den Landesgesetzgeber, der für die Betriebserlaubnis zum Betreiben eines Kindergartens die Vorgaben erarbeitet hat, dass für Kinder von 0-2 Jahre 5 m² Innenfläche (pädagogische Nutzung) und 10 m² Außenfläche zur Verfügung stehen müssen.
Für ältere Kindergartenkinder im Alter von 3-6 Jahre müssen 2,5 m² Innenfläche und 10 m² Außenfläche zur Verfügung stehen.
Die Flächen-Kinder-Relationen auf Basis der jeweiligen Maximalkapazität der Kindergärten wurden auf der Grundlage eigener Angaben der Träger von der Stadtverwaltung erfasst und durch die Stadtverwaltung evaluiert.
Die Durchschnittszahl für Kindergärten in unterschiedlicher Trägerschaft beläuft sich auf überschlägig 5,1 m² je Kind. Damit steht in der Regel, auf eine theoretische Maximalauslastung der Häuser gerechnet, durchschnittlich deutlich mehr Fläche als die vom Land je Kind vorgegebene zur Verfügung.
Es muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass alle Kindergärten mittlerweile mit einer schwindenden Auslastung zu kämpfen haben. Wie zuvor dargestellt, beträgt die Auslastung der Häuser überschlägig zwischen 70 und 95 %. Damit weichen die meisten Kindergärten noch einmal zusätzlich von einer maximal möglichen Auslastung ab. Somit stehen die zusätzlichen pädagogisch nutzbaren Flächen jetzt schon in größerem Ausmaß zur Verfügung. Mit weiter schwindender Kinderzahl würden sie sich vergrößern.
Da sich das verfügbare Personal immer an der Anzahl der tatsächlich anwesenden Kinder bemisst, können leere Räume in der pädagogischen Praxis ungenutzt bleiben.
Insofern macht es weder wirtschaftlich noch pädagogisch Sinn, Kindergartenimmobilien vielleicht nur mit halber Belegung zu betreiben.
Der Leiter des Kindergartens Pinocchio“ wandte sich im Frühherbst letzten Jahres an seiner Bereichsleiterin. Er erklärte, dass im Jahr 2024 20 Kinder in die Schule kommen, 2025 kommen 17 Kinder in die Schule. Im Jahr 2026 werden wieder 20 Kinder in die Schule abgehen. Dann ist nur noch ein Drittel der jetzt betreuten Kinder vorhanden. Trotz intensiver Werbung und guter Arbeit sowie guten Ruf der Einrichtung gibt es kaum Anmeldungen, die die abgehenden Kinder auch nur annähernd kompensieren könnten.
Würden wir nichts tun, wäre der Kindergarten in absehbarer Zeit trotzdem leer.
Allgemein ist bekannt, dass Thüringen das Bundesland ist, welches die längsten gesetzlich vorgegebenen Öffnungszeiten bei schlechtestem Betreuungsschlüssel Deutschlands hat. Warum kann die angeblich reiche Stadt Jena die Betreuungsschlüssel in den Kindergärten auf eigene Kosten nicht verbessern?
Rein rechtlich wäre dies eine freiwillige Leistung. Allerdings muss dafür die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt auf Dauer gegeben sein.
Im Rahmen der pflichtgemäßen Genehmigung des vom Stadtrat beschlossenen Haushalts gab es in den letzten Jahren immer wieder mahnende Hinweise der Rechtsaufsicht des Landes, dass die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Stadt sich an der äußersten zulässigen Grenze bewegt.
Eine solche dauerhafte freiwillige Leistung wie die Anhebung des Personalschlüssels in Kindergärten außerhalb der gesetzlichen Regelung des Landes, würde den Haushalt auf Dauer langfristig belasten und ist in dieser Größenordnung keinesfalls zu leisten.
Wenn die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Stadt nicht mehr gegeben wäre, werden Haushaltssicherungskonzepte verlangt, die sämtliche freiwilligen Leistungen infrage stellen. Damit würde die Stadt auch ihren eigenen finanziellen Gestaltungsspielraum verlieren.
Außerdem würde sich das Land dann auf den Hinweis zurückziehen, dass die Stadt gehalten sei, sich zunächst an den Vorgaben des Landes bezüglich der Personalschlüssel von Kindergärten zu orientieren, um damit auch gleiche Lebensverhältnisse und gleiche Kostenrahmen im gemeinsamen Bundesland zu gewährleisten.
Die Haushaltsmittel, die die Stadt aus ihrem Haushalt für Kindergärten zur Verfügung stellt, ist bereits der größte Einzelposten des Haushalts.
Die Bruttokosten für Kindergärten betragen jährlich 60 Millionen €.51 % davon (31 Millionen €) trägt die Stadt selbst, ohne vom Land, vom Bund oder anderen Dritten dafür (nicht einmal anteilig) eine Gegenfinanzierung zu erhalten. Dies ist in Thüringen und darüber hinaus die größte finanzielle Leistung, die uns kommunal für Kindergärten bekannt ist.
Die Stadt Jena tut sehr viel mehr für ihre Kindergartenlandschaft, als andere Kommunen.
Eine Landesbeteiligung an diesen zusätzlichen Kosten außerhalb des vorgegebenen Betreuungsschlüssels ist rechtlich ausgeschlossen.
Die Stadt könnte außerdem gemäß dem Gleichbehandlungsgrundsatz zur Verwendung öffentlicher Mittel nicht nur für ihre eigenen Kindergärten, sondern ausschließlich für alle Kindergärten einen verbesserten Personalschlüssel ausweisen. Dies würde immense Kosten verursachen, die regelmäßig anfallen.
Außerdem sind diese zusätzlichen Mittel faktisch nicht vorhanden. Sie müssten erst in einem Nachtragshaushalt zum aktuellen Haushalt oder für den nächsten Doppelhaushalt zulasten anderer Maßnahmen geplant werden.
Dabei wäre zu beachten, dass bei der Verteilung zusätzlicher Mittel verschiedene Interessenlagen verwaltungsintern und vor allem politisch abzuwägen wären. Außerdem werden in den kommenden Jahren die Herausforderungen im sozialen Bereich vermutlich weiter steigen und damit wird auch mit höheren Kosten zu rechnen sein. Insofern wird kein zusätzliches Geld zur Verfügung stehen.
Die Situation bezüglich des Betreuungsschlüssels in Kindergärten im Land Thüringen wäre besser, wenn seitens des Landes die den Ländern zur Verfügung gestellten Bundesmittel aus dem sogenannten Gute-kita-Gesetz der letzten Bundesregierung nicht vorrangig für beitragsfreie Kindergartenjahre, sondern für Qualitätsverbesserung - besserer Betreuungsschlüssel, mehr Personal - ausgegeben würden, zumal Familien mit niedrigem Einkommen durch das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes sowieso schon von den Elterngebühren befreit sind.
Diese Kritik wurde gegenüber der Landesregierung seitens der Kommunen, der kommunalen Spitzenverbände und auch durch Fachgremien immer wieder geäußert. Leider besteht erst in letzter Zeit die Erkenntnis bei der Landesregierung, dass die Betreuungsschlüssel schrittweise günstiger gestaltet werden müssen. Seit 2019 hat sich der Personalschlüssel von 1 Erzieher zu 11 Kindern auf 1 Erzieher zu 10 Kinder verbessert. Dies ist aber bei weitem noch nicht ausreichend. Wir erwarten weitere Verbesserungen des Betreuungsschlüssels durch die Landesregierung.