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Akademisches Leben in Jena in der Frühen Neuzeit im Collegium Jenense – JenaKultur-Blog
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Akademisches Leben in Jena in der Frühen Neuzeit im Collegium Jenense

Sonderausstellung „Akademisches Leben in der Frühen Neuzeit im Collegium Jenense“

Die Sonderausstellung „Akademisches Leben in der Frühen Neuzeit im Collegium Jenense“ des Jenaer Stadtmuseum ist noch bis zum 9. Februar 2025 zu sehen. Sie ist nicht nur eine faszinierende Zeitreise in die Vergangenheit, sondern lädt auch dazu ein, etwas über die Wurzeln unserer akademischen Tradition zu lernen. Ein Besuch lohnt sich nicht nur für Geschichtsinteressierte, sondern auch für jene, die die kulturellen Wurzeln der Stadt entdecken wollen und verstehen möchten, wie akademisches Leben die Gesellschaft über Jahrhunderte hinweg prägte.

Blick in die Ausstellung im Stadtmuseum
Blick in die Aussetllung im Stadtmuseum Jena, Markt 7 | © Stadtmuseum Jena, U. Germar

Ein ganz besonderes Aspekt des Ausstellungsprojektes ist die enge Zusammenarbeit mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Stadtgeschichte und akademische Forschung kommen also hier zusammen, um die über 460-jährige Geschichte der Universität zu erforschen und lebendig werden zu lassen.

Das Collegium Jenense ist der Schlüssel zur Geschichte der Universität Jena. Die neue Ausstellung präsentiert faszinierende Funde, die das lebendige Treiben an der frühneuzeitlichen Universität und in der Stadt lebendig werden lassen.

Von der Gründung des Dominikanerklosters im Jahr 1286 bis zu den aufregenden Ausgrabungen des 20. Jahrhunderts beleuchtet die Ausstellung die bedeutenden Professorendynastien, die Jena über Jahrhunderte geprägt haben. Sie bietet Einblicke in die facettenreiche Geschichte, die Jena als akademisches Zentrum in der Frühen Neuzeit zur Blüte brachte.

Collage Kupferstich Collegium Jenense und Student
Ein Student zu Jena des 17. Jahrhunderts, Zeichnung (li.), Collegium Jenense um 1700, Kupferstich von Caspar Junghans (re.) | © Stadtmuseum Jena

Die Kollegienkirche, einst eine Bettelordenskirche, war nicht nur ein Ort des Glaubens, sondern auch die Begräbnisstätte für über 80 Professoren, ihre Familien und ausgewählte Studenten. Ausgrabungen haben beeindruckende Grablegen mit reichen Grabbeigaben wie goldenen Ringen, Degen und Totenkronen zu Tage gefördert. Die Grabplatten und Epitaphien, von denen viele im Zweiten Weltkrieg beschädigt wurden, dokumentieren die enge Verbindung zwischen Universität, Kirche und Stadt. Die Ausstellung zeigt auch, wie die Kollegienkirche ab 1558 universitären Zwecken diente, einschließlich als Wohnheim für Studenten und Sakralraum für Disputationen und Predigten. Neueste archäologische Entdeckungen, wie die von 2019, ergänzen das Bild des akademischen und geistlichen Lebens im Collegium Jenense und erwecken die Geschichte der Universität zum Leben.

Postkarte Collegium Jenense um 1900
Ansichtskarte mit dem Collegium Jenense um 1900 | © Stadtmuseum Jena

Auf Spurensuche des akademischen Alltags

Besonders spannend ist die anthropologische Analyse der sterblichen Überreste von Professoren und Studenten, bei der Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand und mögliche Todesursachen untersucht wurden. Ortolph Fomann der Jüngere war ein bedeutender Jurist an der Universität Jena und Teil einer Professorendynastie. Eine Gesichtsrekonstruktion von ihm, basierend auf mikro-CT-Scans, wird in der Ausstellung zusammen mit einem Gemälde von ihm gezeigt. Diese Kombination gibt einen einzigartigen Einblick in sein Aussehen und die Zeit, in der er lebte.

Die Textilien aus den Gräbern des Collegium Jenense, darunter Kleidung, Strümpfe und Perücken, reflektieren die Bestattungskultur der Frühen Neuzeit und den sozialen Status der Verstorbenen. Besonders hervorzuheben ist das Wams von Johann Arnold Friderici, einem Mediziner des 17. Jahrhunderts. Alle Funde wurden nicht nur gereinigt, um deren Erhalt zu sichern, sondern sie helfen auch, die Lebensweise der Jenaer Akademiker im 16. und 17. Jahrhundert zu rekonstruieren.

Im Gespräch mit dem Kurator Dr. Enrico Paust

Dr. Enrico Paust ist Kustos der Sammlung Ur- und Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Als Projektkoordinator und Kurator leitete er das Ausstellungsprojekt zum „Collegium Jenense“, das in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum realisiert wurde. Janka Blumensath, Studentin der Germanistik und Geschichte an die Friedrich-Schiller-Universität, befragte ihn im Rahmen eines Praktikums im Stadtmuseum Jena und erstellte auch dankenswerterweise diesen gesamten Blogbeitrag!

Dr. E. Paust: Meine Aufgabe war im Wesentlichen die Kuration der Ausstellung zusammen mit Ivonne Prezemuß und Teresa Thieme. Die Zusammenarbeit ist sehr gut verlaufen, die inhaltlichen Aspekte haben wir von Seiten der Universität geleistet, und das Stadtmuseum hat uns mit zusätzlichen Ausstellungsstücken aus dem Bestand und vor allem bei der Finanzierung des Ausstellungsteils im Stadtmuseum unterstützt. Auch Romana Bauer, die Grafikerin des Stadtmuseums, hat bei der Gestaltung der Ausstellung mitgeholfen.

J. Blumensath: Gab es unerwartete Herausforderungen und Besonderheiten bei dem Forschungsprojekt und den drei Ausstellungsprojekten im Collegium Jenense, im Stadtmuseum und in der Stadtkirche?

Dr. E. Paust: Ja, Herausforderungen gibt es immer. Abgesehen von den Schwierigkeiten, die bei einer Ausstellung auftreten, dass zum Beispiel eine Vitrine bei der Anlieferung kaputt gegangen ist, sind die größten Herausforderungen in der Interdisziplinarität des Projektes zu sehen. Wir haben ganz viele verschiedene Projektpartner aus verschiedensten Wissenschaften: Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften, Medizin. Die unter einen Hut zu bringen, ist immer eine Herausforderung. Eine weitere Herausforderung ist, dass wir eine Ausstellung an drei verschiedenen Standorten der Stadt haben, die aber alle in unterschiedlicher Trägerschaft sind: Das Stadtmuseum, das Collegium Jenense und die Stadtkirche. Das heißt, man muss alles terminlich und logistisch mit den drei Gebäudeverantwortlichen abstimmen. Und auch unsere Forschung hat immer ihre Grenzen, manchmal methodisch bedingt, aber in den meisten Fällen erhaltungsbedingt.

J. Blumensath: Gibt es bestimmte Ausstellungsstücke, die Sie persönlich besonders schätzen oder faszinierend finden? Was macht diese Objekte so besonders für Sie?

Dr. E. Paust: Das Spannende für uns als Archäologen ist immer die Zusammenschau der Objekte im Befund und was sie im Zusammenhang mit den schriftlichen Überlieferungen aussagen. Es gibt nicht direkt ein Objekt, wovon ich sage, dass es mein Lieblingsobjekt ist – es ist eher die Kombination. Bei dem Degen zum Beispiel war jedoch die Erforschungsgeschichte ganz interessant. Bei der Restaurierung haben sich eingelegte Buchstaben auf der Klinge gezeigt, die aber nicht vollständig freigelegt werden konnten, da man sonst Reste der Schwertscheide zerstört hätte. Glücklicherweise war es aber per Micro-CT möglich, die Schrift lesbar zu machen, wobei wir den Namen des Schwertschmiedes gefunden haben. Dank der Interdisziplinarität mit der Archäologie, der Restaurierung und den Materialwissenschaften kann man neue Erkenntnisse gewinnen. Solche Geschichten finde ich besonders faszinierend.

J. Blumensath: Wie wurde entschieden, welche Fundstücke in der Ausstellung gezeigt werden sollen?

Dr. E. Paust: Die erste Entscheidung, die wir getroffen haben, ist, dass wir keine echten menschlichen Überreste zeigen wollten. Es werden also keine Knochen ausgestellt, das ist eine Frage der Pietät. Es gibt verschiedene Wege, wie man an eine Ausstellung herangehen kann. Entweder man zeigt die spannendsten und kostbarsten Objekte, oder man verbindet eine Geschichte mit den Objekten und erzeugt so ein Lebensbild – wie wir es gemacht haben. Wir haben uns also auf die Objekte beschränkt, die das alltägliche Leben darstellen und ausmachen. Das müssen nicht unbedingt die schönsten und kostbarsten Sachen sein. Die Exponate, die wir jetzt ausstellen, machen weniger als 10 Prozent des tatsächlich geborgen Fundmaterials aus dem Collegium aus.

J. Blumensath: Welche weiteren Aspekte der Geschichte Jenas oder des Collegium Jenense würden Sie gerne erforschen? Was muss noch aufgearbeitet werden?

Dr. E. Paust: Das Projekt läuft noch bis mindestens 2028 weiter. Dabei haben wir noch viel aufzuarbeiten. Zum einen müssen die archäologischen Funde fertig ausgewertet werden, zum anderen sind viele naturwissenschaftliche Analysen sowie die anthropologischen Untersuchungen zu Skeletten noch nicht abgeschlossen. Und auch die Textilrestaurierung wird noch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, und natürlich die Zusammenführung der Ergebnisse aus Archäologie, Restaurierung und Bauforschung mit den schriftlichen Überlieferungen. Das alles in Einklang zu bringen, ist jetzt die wesentliche Aufgabe, neben der Öffnung des Areals für die Öffentlichkeit.

J. Blumensath: Was erhoffen Sie sich, dass die Besucher aus der Ausstellung lernen und mitnehmen? Gibt es besondere Botschaften oder Erkenntnisse, die Sie hervorheben möchten?

Dr. E. Paust: Uns ist es sehr wichtig, ins Bewusstsein zu rufen, dass das Collegium Jenense als Gründungsort der Universität noch in weiten Teilen erhalten geblieben ist. Das ist der städtischen Bevölkerung und sogar vielen Mitarbeitern der Uni nicht bewusst. Die Ausgrabungsfunde sind etwas sehr Besonderes. Die meisten anderen europäischen Universitäten können dieserart Funde nicht vorweisen.

 

Dr. Enrico Paust, FSU Jena
Dr. Enrico Paust | © Stadtmuseum Jena

Die interessante Ausstellung wird flankiert von zahlreichen Begleitveranstaltungen, auch für Kinder. Sie finden diese in unserem Veranstaltungskalender oder auch auf der Webseite des Stadtmuseums Jena. Öffentliche Führungen finden am 16.11.2024 | 25.01.2025 | 08.02.2025, jeweils 15 Uhr, statt.

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