In einem Artikel vom 31.10./01.11.2018 berichtete die Ostthüringer Zeitung (OTZ) u.a. darüber, dass der Ausbau der Lützowstraße in Jena-Lichtenhain wesentlich länger dauert als geplant. Weshalb ist das so? – Dies möchten wir hier beispielhaft für andere Straßen kurz erläutern:
Im Jenaer Ortsteil Lichtenhain sollte eine rund 200 Meter lange Anliegerstraße erneuert werden. Dies beschloss der Stadtentwicklungsausschuss des Jenaer Stadtrats vor mehr als vier Jahren in seinem Absichtsbeschlusses Nr. 14/0027-BV. Nach verschiedenen Anläufen und Änderungen der Baulängen durch Initiativen von Bürgern und dem Ortsteilrat, begannen die Arbeiten im Sommer 2017.
Bereits damals war klar (und wurde auch so nach außen kommuniziert), dass es sich bei der Lützowstraße aus ihrer Historie heraus im Grunde um keine Straße handelt, die in früheren Zeiten nach den Regelwerken der seinerzeitigen Straßenbaukunst erstmalig endgültig hergestellt war.
Im hinteren Teil der Straße gab es beispielweise keinen wirklichen Straßenunterbau, sondern vor vielen Jahrzehnten hatte die Lichtenhainer Gemeinde auf felsigem Untergrund bauen lassen. Auch Stützmauern wurden damals nicht so hergestellt, wie man es von einer „ordentlichen“ Straße hätte erwarten können.*
In der OTZ berichteten Vertreter des Kommunalservice (KSJ) und der beteiligten Baufirmen darüber, welche Probleme sich beim Straßenbau auftaten. „Unerwartet hohe Anforderungen“ nannte dies Bert Backhaus, der Projektverantwortliche beim KSJ. Außerdem kam es vor einem Jahr zum Bruch einer Böschung. Die Folge: Um Schäden am darüber befindlichen Wohnhaus zu verhindern, war viel zusätzliche Arbeit vonnöten (= eine Spezialfirma trieb Bauanker in den Hang und spritzte ihn mit einer Stützwand aus Beton aus), die erheblichen Zeitverzug mit sich brachte.
Zwar ist die Lützowstraße vom Verkehrsaufkommen her möglicherweise
„eine der unbedeutendsten Straßen Jenas“,
wie es Thomas Beier von der OTZ schrieb, jedoch war der Instandhaltungsaufwand über die Jahre so hoch, dass man sich auf Seiten der Stadt dazu entschloss, eine grundhafte Erneuerung anzustreben. Am Anfang gab es hier grundsätzliche Probleme zwischen dem Ortsteil und dem Kommunalservice Jena, weil ein ehemaliger leitender Mitarbeiter – der inzwischen Baubürgermeister einer Stadt in Sachsen ist – den Lichtenhainern zugesagt hatte, dass der Ausbau der Lützowstraße von der Stadt aus Instandhaltungsmitteln bestritten werden könnte.
Als klar war, dass dem nicht so ist** und die Arbeiten wesentlich umfangreicher auszuführen sind, als vorgesehen (was sich ja durch die aktuelle Entwicklung bestätigte / s.o.) kämpfte der Ortsteilrat mit seinem Ortsteilbürgermeister Michael Müller darum, die Baustrecke zu verkürzen. Ursprünglich sollte auch der vordere Teil mitgemacht werden, der aber optisch in einem guten Zustand war. Deshalb einigte man sich mit dem SEA auf Wunsch der Bürger auf einen minimalen Ausbau der Straße allein im Mittel- und Schlussteil, zudem aus Kostengründen mit Engstellen von nur 3,15 Metern Breite. Dagegen legte nun der KSJ Widerspruch ein, weil dies nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestfahrbahnbreiten entsprach und daher „nicht vollzugsfähig“ sei, wie es KSJ-Werkleiter Uwe Feige damals erklärte.
Der Stadtentwicklungsausschuss beschloss schließlich eine Bauvariante mit einer durchgängiger Fahrbahnbreite von 4,50 Metern, jedoch ohne das Anfangsteil der Lützowstraße. Als dann die bereits erwähnte Böschung abgetragen wurde, brach ein Hang im Mittelteil der Straße ab. Insgesamt spricht viel dafür, dass es sich bei der Lützowstraße – und sie steht hier stellvertretend für viele, ähnliche Straßen in unserer Stadt – um KEINE Straße gehandelt hat, die nach § 242 Absatz 9 Baugesetzbuch (BauGB)*** am 03.10.1990 bereits erstmalig endgültig hergestellt war.
NACHTRAG: Kurzzeitig war auch darüber nachgedacht worden, ob in der Lützowstraße vielleicht sogar Erschließungsbeiträge erhoben werden müssten. Das Bundesverwaltungsgericht hat mittlerweile bezüglich § 242 Abs. 9 BauGB verbindlich klargestellt (siehe hier z.B. das Urteil vom 11.07.2007 – BVerwG 9 C 5.06), dass eine öffentliche Erschließungsanlage in der ehemaligen DDR nur dann als am 03.10.1990 erstmalig endgültig hergestellt gilt, wenn folgendes Mindestmaß an bautechnischer Herrichtung erfüllt ist:
– das Vorhandensein einer durchgängig hinreichend befestigten Fahrbahn
– das Vorhandensein einer ebenso durchgängigen Straßenentwässerung (ein bloßes Versickernlassen ist hier nicht ausreichend)
– eine eigene Straßenbeleuchtung, die einen ungefährdeten Haus-zu-Haus-Verkehr ermöglicht
Das heißt: Nur Straßen, die i.S.d. § 242 Abs. 9 BauGB als erstmals endgültig hergestellt gelten, kommen für die Erhebung von Straßen(aus)baubeiträgen infrage. Alle anderen öffentlichen Straßen unterliegen der Erschließungsbeitragspflicht nach den §§ 127 ff. BauGB, was aber bei der Lützowstraße nicht der Fall ist. / RS
- * = vgl. z.B. „Städtischer Tiefbau“ von Georg Arnold, erschienen 1953 im Fachbuchverlag Leipzig, Seite 50 ff.
- ** = nach § 7 des Thüringer Kommunalabgabengesetzes hat die Stadt Jena Straßenbaubeiträge zu erheben, wenn die Arbeiten an einer Straße grundhaft zu erfolgen haben
- *** = „Für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, kann nach diesem Gesetz ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. (…)„