Das Wochenende rückt immer näher – und mit ihm die Vorfreude auf das erste „Schranken Los!-Kulturfestival für jedermensch“ in Jena. Vom 10. bis 11. Juni 2023 präsentiert das Open-Air rund um den Jenaer Theatervorplatz ein vielfältiges Programm. Das Anliegen: hier soll wirklich jede und jeder Kultur erleben können.
Wir unterhalten uns mit der Produktionsleiterin Eva Göbel über ihre Erfahrungen aus der bisherigen Festival-Organisation.
Liebe Eva, das erste Jenaer „Schranken Los!“-Kulturfestival steht kurz bevor. Mit Sicherheit ist noch ganz viel zu tun. Der Druck ist bei allen Beteiligten bestimmt groß. Was überwiegt bei dir: Vorfreude oder Aufregung?
Ganz klar die Vorfreude. Seit September letztes Jahr haben wir dieses Festival vor unserem inneren Auge. Jetzt werden die ganzen Überlegungen Wirklichkeit. Und ich persönlich bin einfach nur ganz gespannt, welche Angebote gut angenommen werden, welche weniger. Und was für Hinweise wir von unserem Publikum und den Künstler:innen bekommen, um unsere veranstaltungen noch barriereärmer zu gestalten. Wir haben von Beginn an gesagt, dass wir uns selbst als Lernende begreifen und gar nicht in der Lage sind, alles zu 100% barrierefrei zu machen. Aber wir haben den Anspruch, dass wir dahin kommen. Insofern können wir durch das Festival alle nur gewinnen, auch, wenn manche Dinge nicht so laufen wie erhofft. Oder an anderen Stellen Hürden bestehen bleiben und nicht jede Person an allen Angeboten vollumfänglich teilnehmen kann. Wir hören uns das Feedback ganz genau an und wollen die Erfahrungen für kommende veranstaltungen nutzen.
A propos kommende veranstaltungen: Wird es denn ein „Schranken Los!“-Festival 2024 oder 2025 geben?
Das können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Zum einen möchten wir die Evaluation – also die Ergebnisse der Befragung an die Besucher:innen, die während und nach dem Festival durchgeführt wird, abwarten und auswerten. Mit der Umfrage möchten wir herausfinden, welche Barrieren Menschen wahrnehmen: ganz allgemein im Alltag. Aber auch konkret bei der Teilnahme an einem Kulturangebot oder im Zuge der Entscheidung, ob sie an einem Angebot teilnehmen wollen oder nicht. Zum anderen war das Ziel des Festivals von Anfang an, JenaKultur als gesamten Kulturbetrieb in den Blick zu nehmen und hier langfristig die Strukturen zu entwickeln, die dauerhaft mehr Barrierefreiheit in vielen verschiedenen Bereichen befördern sollen. Sei es Musikunterricht in der Musik- und Kunstschule Jena, ein Besuch in den Städtischen Museen Jena oder auch die Arbeitsplatz-Situation als Mitarbeiter:in von JenaKultur. Barrierefreiheit ist ja ein Querschnittsthema. So haben es bereits die Kolleg:innen des Projekts 360° bei der Ernst-Abbe-Bücherei vorgemacht, das die postmoderne Migrationsgesellschaft als Handlungsfeld hat. Insofern: Es wird auf jeden Fall mit den Bemühungen um Barrierefreiheit und Inklusion bei JenaKultur in den kommenden Jahren weiter gehen.
Nun aber zurück zum aktuellen Geschehen und dem Festival. Was sind denn deine persönlichen Highlights? Sofern du neben der ganzen Organisation dazu kommst: Welche Show möchtest du selbst nicht verpassen?
Ich freue mich tatsächlich sehr auf die Eröffnung durch den Festival-Beirat. Wir haben unsere Aufstellung noch am Dienstag auf der große Vorbühne geprobt. Und selbst dabei sind schon wieder ganz wichtge Gespräche entstanden. Unsere Expert:innen aus Erfahrung, die selbst alle eine unterschiedliche Behinderungsperspektive haben, haben einfach viel zu sagen. Und ich freue mich, dass das bei der Eröffnung der ganze Theatervorplatz hören kann.
Dann freue ich mich natürlich auf das Konzert-Programm. Auf Deniz & Ove, das ist auch die Lieblingsband von meinem Sohn Friedrich. Ich glaube, nicht viele Vierjährige haben so viel Einfluss auf die Programmauswahl wie er! 😊 Dann natürlich Graf Fidi, der echt wahnsinnig kluge und lustige Texte rappt. Und die Aftershow-Party mit Supa Star Soundsystem aus Berlin im Innenhof. Am Sonntag freue ich mich besonders auf den Poetry & Comedy Mix „all inclusive“ präsentiert von Friedrich Herrmann. Hier treten hörende und taube Performer und Comedians gemeinsam auf. Zum Beispiel der Berliner Comedian Okan Seese und der Schauspieler und Deaf Performer Eyk Kauly. Ich denke, dass das für eine Bühne in Thüringen schon ein echtes Novum ist.
Das hört sich echt gut an! Wie hast Du eigentlich die Künstler:innen ausgewählt und das Programm zusammengestellt? Gab es da Überschneidungen mit dem Thema Inklusion?
Also tatsächlich habe ich darüber viel mit unserem Festival-Beirat, besonders mit Ines Muskalla, gesprochen. Wir kamen recht schnell darauf, dass wir bei dem Programm einfach die Vielfalt der Gesellschaft abbilden wollen, so wie sie ist. Das heißt, es gehören auch Künstler:innen auf die Bühne, die eine Behinderung haben. Genauso wie solche, die keine zugeschriebene Behinderung besitzen. Zudem haben wir versucht, auch künstlerische Vielfalt zeigen, die aus dieser Offenheit entstehen kann. Zum Beispiel zeigen wir Theater in Deutscher Gebärdensprache. Hier sind dann die hörenden Menschen im Publikum nicht zur 100%igen Teilhabe fähig, weil sie in der Regel diese Sprache nicht verstehen und sprechen. Uns ging es auch darum, zu zeigen, welche alternativen Zugänge oder originäre kulturelle Leistungen Menschen vollbringen, denen eine Behinderung zugeschrieben wird. Dass das, was „behindert“ ist, wirklich von der Umwelt definiert wird. Ich setzte mich ja wirklich erst seit einem Jahr mit den Themen auseinander und lerne jeden Tag was dazu. Ich kann nicht von mir behaupten, dass ich jetzt eine Expertin in Sachen Kultur und Inklusion bin, weil ich einmal dieses Festival organisiert habe. Aber ich habe selbst schon so viel mitgenommen, gerade durch den Austausch mit meinen Festival-Beirät:innen. Da bin ich einfach ziemlich froh drüber.
Das glauben wir gern! Klingt nach einer wirklich bereichernden Erfahrung – und nach intensiven Monaten der Planung und Vorbereitung. Dann hoffen jetzt alle mal auf schönes Sommer-Wetter am Wochenende und freuen uns auf das tolle Programm. Dir und dem Festival-Beirat noch viel Kraft für die letzten Stunden vor dem Festival!
Werden Sie uns am 10. und 11. Juni besuchen, liebe Leserinnen und Leser? Es gibt jedenfalls eine Menge zu erleben und vor allem: Alle veranstaltungen im Rahmen von „Schranken Los!“ sind am Festival-Wochenende kostenfrei! Teilen Sie uns gern in den Kommentaren mit, wie Sie das Thema Inklusion erleben und wie Ihnen das Festival gefallen hat.
Weitere Informationen zum Programm (auch kurzfristige Änderungen) finden Sie unter: