Immer mal veröffentlichen wir in unserem Blog auch Gastbeiträge. Der heutige freut nicht nur uns, sondern muss vor allem Lehrer:innen geradezu in Euphorie versetzen. Was kann einem schließlich besseres passieren, als dass Schüler:innen begreifen, dass man nicht für die schule, sondern fürs Leben lernt, dass sie sich einmischen wollen?
Der Geschichtskurs der Klasse 11 des Otto-Schott-Gymnasiums in Jena hat uns vor ein paar Wochen folgendes geschrieben:
„Wir, die Schüler des Geschichtskurses der Klasse 11 des Otto-Schott-Gymnasiums aus Jena, möchten uns mit einem Anliegen an Sie wenden. Im Herzen Jenas, direkt gegenüber des Hanfrieds auf dem Marktplatz befindet sich der unscheinbare ‚Bismarck’brunnen. Im Rahmen des Geschichtsunterrichts haben wir uns mit dem ehemaligen Reichskanzler Otto von Bismarck beschäftigt und sind auf das Denkmal auf dem Marktplatz gestoßen. Erst nach direktem Hinweis unseres Lehrers konnten wir es als Denkmal zur Ehrung und Erinnerung von und an Bismarck erkennen.
Leider verweisen keine Informationstafeln auf Bismarcks Wirken, sein Leben und den Grund der Namensgebung des Brunnens. Um dies vor allem Besuchern, Schulklassen sowie Einheimischen näher zu bringen, wenden wir uns mit der Bitte an Sie, eine Informationstafel am Brunnen zu errichten bzw. die Errichtung einer derartigen Tafel zu prüfen.“
Damit jedermann an den Überlegungen der jungen Menschen teilhaben und mitdiskutieren kann, haben wir angeregt, sich hier zu Wort zu melden. Hier deren Beitrag:
Ach was, Jena hat auch eine Geschichte?
Wusstet Ihr, dass Otto von Bismarck einst unsere schöne Stadt besucht hat und noch heute ein Denkmal im Herzen Jenas daran erinnert? Nein? Wir auch nicht. Zumindest bis vor kurzem.
Im Rahmen unseres Geschichtsunterrichts haben wir, der erhöhte Geschichtskurs der 11. Klasse des Otto-Schott-Gymnasiums Jena, uns mit der historischen Persönlichkeit Bismarcks auseinandergesetzt und herausgefunden, dass ihm der Brunnen auf dem Marktplatz gewidmet ist. Am 31. Juli 1892 hielt er auf unserem Markplatz vor 8.000 Leuten eine Rede. Schon zwei Jahre danach wurde dieser Brunnen erbaut. Heute weiß dies aber fast keiner mehr und das hat uns nachdenklich gestimmt. Eine historische Einordnung des zentral gelegenen Bismarckbrunnens ist schlichtweg nicht vorhanden. Doch Bismarck, welcher eine große Rolle im Prozess der Reichsgründung spielte, ist zugleich eine kontroverse Persönlichkeit. Deshalb sollte es eine Einordnung geben, finden wir zumindest…
Was haben wir bisher unternommen?
Neben der grundlegenden Recherche zur Person Otto von Bismarcks, haben wir uns auch mittels verschiedenster Vorträge über nationale Denkmäler des 19. und 20. Jahrhunderts informiert. Darüber hinaus hatten wir die Professorin für Neuere Geschichte (der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Anm. d. Red.) Carola Dietze um Ihre historische Einordnung bezüglich Bismarck gebeten. Mit ihr haben wir auch darüber gesprochen, wie man Bismarck und insbesondere den Brunnen auf dem Jenaer Marktplatz einordnen könnte.
Was genau haben wir uns vorgestellt?
Bezüglich der historischen Einordnung haben wir an eine Informationstafel vor dem Brunnen gedacht. Diese hätte den Vorteil, dass viele Passant:innen und Tourist:innen dieses Denkmal stärker wahrnehmen würden. Zudem hätte so jeder die Chance, etwas mehr über Bismarck zu lernen und zu verstehen, wie wichtig, aber auch wie kontrovers er als historische Persönlichkeit zu sehen ist.
Inwiefern denn kontrovers?
Viele denken bei dem Namen Otto von Bismarck an den „Reichsgründer“ und den „Erfinder“ des Sozialversicherungssystems. Diese Leistung gilt es ihm gewiss auch nicht abzusprechen. Doch neben den positiven Aspekten, die seine Politik durchaus hatte, vergessen leider einige, dass er diese Politik mit „Blut und Eisen“ bzw. „Zuckerbrot und Peitsche“ führte. Um das Volk zu einen und die „innere Reichsgründung“ zu unterstützen, grenzte er auch Volksgruppen aus, die seine Politik nicht unterstützten. Die „Sozialistengesetze“ und der „Kulturkampf“ gegen die katholische Kirche spalteten die Gesellschaft im Kaiserreich nachhaltig.
Uns interessiert, ob auch Sie hin und wieder Dinge in Jena entdecken, die Sie überraschen, erstaunen, die Sie nicht kannten?
Über dieses Projekt hier werden wir auf alle Fälle zu gegebener Zeit weiter berichten, denn wir finden, das Engagement des Geschichtskurses verdient alle Achtung. Und wir nehmen – als Eigenbetrieb, der u.a. für die Verwaltung von (Denkmal-)Objekten im öffentlichen Raum in Jena zuständig ist – die Anregung, eine Gedenktafel aufzustellen, sehr gern auf. Gemeinsam mit den Schüler:innen haben wir bereits Überlegungen angestellt, auf welchem Wege man zu einer sinnvollen Kommentierung des Brunnens kommen könnte.
Wir werden Sie dazu weiter auf dem Laufenden halten. Zunächst wünschen wir uns allen Freude an großen und kleinen Entdeckungen!
Hallo, es hat sich seit 2021 nichts getan.
Auch ich, Tourist aus Luxemburg, stand vor dem Brunnen und fragte mich, was hat Bismark mit Jena zu tun.
Dank diesem Artikel weiss ich es nun. Es wäre ein leichtes eine Plakette mit dieser Information anzubringen.
Hallo Jean-Marc Letsch,
Sie haben recht: bei dem Projekt sind wir aus verschiedenen Gründen stecken geblieben. Hauptgrund ist natürlich der Umstand, dass die Initiatoren unterdessen andere Wege gehen, keine Schüler:innen mehr sind und also den Fortgang nicht weiter befeuern. Jena wird ab Herbst die Stadthistoriker:innen-Stelle nachbesetzen, dann werden wir das Thema noch einmal aufrufen. Die Erläuterung muss ja nicht nur präzise sein, sondern auch in den sich gerade neu konstituierenden Gremien – in Jena war am 26. Mai Kommunalwahl – befürwortet werden.
Danke für Ihren wichtigen Impuls.
Das JenaKulturBlog-Redaktionsteam