In unserer Reihe „Wir beantworten Fragen von Bürgern“ geht es dieses Mal um die Problematik „Wären Wiederkehrende Straßenbeiträge eine Option für Jena?“ – Aufgeworfen wurde diese Frage jüngst bei der Bürgerinformationsveranstaltung zur Herstellung der Naumburger Straße am sog. Milchhof, aber das Thema beschäftigt die Stadt Jena bereits seit dem Jahre 1994.
Damals hatte die damalige Thüringer Landesregierung ihr 1991 in Kraft getretenes Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) geändert, weil es schon nach nur drei Jahren im Freistaat in Einzelfällen zu ganz erheblichen und von den Beitragspflichtigen finanziell kaum noch zu bewältigenden Straßenausbaubeitragsbescheiden kam. Unter anderem durch den Thüringer Ministerpräsidenten Dr. Bernhard Vogel, der zuvor MP des Bundeslandes Rheinland-Pfalz war, wurde die Idee von jährlich wiederkehrenden Beiträgen in die Diskussion gebracht und man erwog, das aus Rheinland-Pfalz stammende Beitragserhebungsmodell auch in Thüringen einzuführen. Jedoch nicht als einzige Option der Beitragserhebung sondern sozusagen „in Konkurrenz“ mit der bisher üblichen Erhebung von Straßenbeiträgen nach dem damaligen § 7 ThürKAG. Hierbei sollte sich jede Stadt oder Gemeinde frei entscheiden können, welches Modell der Beitragserhebung sie bevorzugt – so der Plan.
Im Sommer 1995 trat der § 7b ThürKAG in Kraft, welcher bis heute die Modalitäten der Erhebung Wiederkehrender Beiträge in Thüringen regelt. Es zeigte sich jedoch recht schnell, dass die Erhebungsoption der wiederkehrenden Beiträge überhaupt nur für Gemeinden und kleinere Städte in Frage kommt. Bereits die Stadt Pößneck (= etwa 24,5 km² Fläche und damals knapp 13.000 Einwohner. Zum Vergleich: Jena = etwa 114,5 km² Fläche und knapp 110.000 Einwohner) scheiterte mit ihrer Satzung zur Erhebung wiederkehrender Beiträge und musste wieder auf die Erhebung herkömmlicher Straßenausbaubeiträge nach § 7 ThürKAG umstellen. – Weshalb?
Seit 1987 haftet den wiederkehrenden Beiträgen die Schwierigkeit der „Unbestimmtheit der Satzung“ an, die immer auch die einzelnen Abrechnungseinheiten der Kommune festlegen muss. Dies ist bei den „normalen“ Ausbaubeiträgen nach § 7 ThürKAG anders, denn hier sind Gesetzeslage und Mustersatzungen seit Mitte der 1990er Jahre im Einklang. Die erwähnte (und von den Verwaltungsgerichten immer wieder beanstandete) „Unbestimmtheit“ hat in der Folge der Regelungen des § 7a ThürKAG mit der Abgrenzung einzelner Abrechnungseinheiten voneinander zu tun und ist bundeslandübergreifend ein bekanntes Problem, da es bei wiederkehrenden Beiträgen (und somit anders als nach § 7 ThürKAG, wo jede Straße einzeln betrachtet wird) keine klaren Abrechnungsgebiete gibt sondern eben die erwähnten Abrechnungseinheiten. Abrechnungseinheiten sind nach § 7a ThürKAG
„Gemeinde- oder Stadtgebiete mit einem zusammenhängenden System von Straßen“.
Zwar hängt jede Straße irgendwie mit jeder anderen Straße zusammen und man kann in Jena ohne Zweifel durchgängig von zwätzen nach Ilmnitz fahren, doch gibt es nach inzwischen höchstrichterlicher Rechtsprechung bei wiederkehrenden Beiträgen sog.
„zwingend trennende Gründe“
für die Abgrenzung eines Systems von Straßen gegenüber einem benachbarten. „Zwingend trennende Gründe“ sind z. B. topografische Gegebenheiten (= in Jena wäre dies die Saale) sowie Bahnlinien oder Fernstraßen/Bundesstraßen, einzelne Ortsteile im ländlichen Bereich, Gewerbegebiete. Damit ist es für Städte wie Pößneck oder Jena nicht möglich, ihr Stadtgebiet in nur wenige Abrechnungseinheiten aufzuteilen. In Jena käme man sogar schnell auf etwa 30 verschiedene Abrechnungseinheiten (siehe Grafik unten); zehn bereits durch die trennenden Gründe: Autobahn, zwei Bahnlinien, zwei Bundesstraßen, Saale (siehe mittlere Grafik).
Da es aber generell immer wieder zu strittigen Situationen zwischen einzelnen Abrechnungseinheiten kommt, also zu Streitfragen wie „In welche Abrechnungseinheit gehört Straße X und in welche Straße Y?“ und damit zusammenhängend z. B. „Wieso liegt mein Grundstück nicht in einer anderen Abrechnungseinheit?“, ist die Bestimmtheit der Abrechnungseinheiten immens wichtig, um eine Beitragserhebung jährlich wiederkehrender Beiträge rechtssicher zu machen.
Aber es gibt drei weitere – vielleicht sogar noch schwerwiegendere – Probleme, wenn die jeweilige Abrechnungseinheit gebildet ist:
Erstens: Welche Straßen gehören in das jeweilige System der Verkehrsanlagen einer Abrechnungseinheit. Herauszurechnen sind etwa die Straßen, welche noch nicht erstmalig endgültig hergestellt sind, also denen noch ein Gehweg, eine Straßenbeleuchtung oder eine Straßenentwässerung fehlt. Der Grund: Herstellungsarbeiten an solchen Straßen sind zwingend nach dem Baugesetzbuch abzurechnen und dürfen nicht in das System der jeweiligen Abrechnungseinheit aufgenommen werden.
Zweitens hat man für jede Straße Längen zu messen für die Fahrbahn-Kategorien und die (evtl. mit einem etwas höheren Anliegeranteil zu bemessenden) Gehweg-Kategorien der a) Anliegerstraßen, b) Haupterschließungsstraßen und c) Hauptverkehrsadern. Aus diesem Rechenergebnis setzt sich der sog. Mischprozentsatz von Gemeinde- und Anliegeranteil der jeweiligen Abrechnungseinheit zusammen.
Drittens: Die in jeder Abrechnungseinheit enthaltenen Grundstücke unterliegen jährlich fortschreitenden Veränderungen durch Verkauf und Aufteilung (= veränderte Grundbuchflächen) oder Nutzungsart. Da der Mischprozentsatz des wiederkehrenden Beitrags aber auch auf Basis der sog. „gewichteten Grundstücksflächen“ gebildet wird, muss dieser jährlich angepasst werden.
Durch den hiermit verbundenen Verwaltungsaufwand (= in Jena beispielsweise für rund 30 Abrechnungseinheiten zu betreiben) macht die Erhebung von jährlich wiederkehrenden Beiträgen eben nur in Gemeinden und kleineren Städte Sinn. Dies ist auch mit ein Grund, weshalb in unserer Stadt seit 1991 durchgängig herkömmliche Straßenbaubeiträge erhoben werden.
Zweimal zwischen 1995 und 2004 befassten sich Gremien der Jenaer Stadtverordnetenversammlung bzw. des Jenaer Stadtrats ernsthaft mit dem Thema der Erhebung wiederkehrender Beiträge in unserer Stadt:
einmal auf Initiative der Fraktion Bürger für Jena in Verbindung mit dem Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümerverein Jena e.V. und einmal im Auftrag der PDS. Hierzu wurden in den entsprechenden Ausschüssen Variantenmodelle erläutert, Informationsveranstaltungen für einzelne Fraktionen abgehalten und beide Male wurden die Probleme, die mit einer Einführung von wiederkehrenden Beiträgen in Jena verbunden wären, als so schwerwiegend betrachtet, dass man von der Idee Abstand nahm.
Bis heute haben sich die Grundbedingungen der Erhebung wiederkehrender Beiträge in Jena nicht verändert. Lesen Sie zum Thema auch diesen Artikel in unserem Blog! / RS
Moin, hilfreiche Seite für die Öffentlichkeitsarbeit neben der Beitragserhebung. Wie sind Sie auf die Idee gekommen oder wer hat das so gewollt?
MfG
Michael Au
Guten Tag Herr Au,
eine Antwort liefert z.B. unser erster Blogbeitrag vom 17.12.2014:
https://blog.jena.de/strassenbaubeitraege/2014/12/17/hallo-welt/
Unser Blog hat uns bisher gute Dienste erwiesen. Durch die leichte Erreichbarkeit schaffen wir einen „direkten Draht“ zwischen der Abteilung Beiträge und interessierten (oder betroffenen) Bürgern. Auch haben wir mittlerweile zahlreiche Dokumente veröffentlichen können, wie es uns ohne Blog nicht möglich wäre. Dies erspart den Bürgern auch eine mühsame Recherche und (hin und wieder) auch Papier. Der Blog ist in Zusammenarbeit mit dem Team Kommunikation der Stadt Jena und unserer Abteilung entstanden.
Mit freundlichen Grüßen,
Antonia Erdmann