Eine Reflexion von Dr. Angela Anding, Leiterin der vhs Jena
Dass Menschen ihren Arbeitsplatz verlassen, ist an der Tagesordnung und dass sie in den Ruhestand gehen, erst recht. Aber wir wissen alle, dass es manchmal leichter und manchmal schwerer fällt. Im Fall von Sabine Schuldes ist es uns als Team der vhs überhaupt nicht leicht gefallen, sie in den etwas früheren Ruhestand gehen zu lassen – zumal man es dieser quirligen und jugendlich wirkenden Frau ohnehin nicht abnahm, dass sie sich schon ins Rentendasein verabschieden könnte.
Ich selbst leite erst seit zwei Jahren die vhs Jena. Kann einem da eine Mitarbeiterin so ans Herz wachsen? Ja!
Die vhs lebt von dem besonderen Engagement der Mitarbeitenden, der Dozent:innen und der Zufriedenheit der Teilnehmenden. Alle Beteiligten passen im Optimalfall wie kleine Zahnrädchen zueinander. Und nach 18 Jahren war Frau Schuldes nicht nur ein kleines Zahnrädchen, wohl eher ein größeres. Ihr oblag die Sachbearbeitung im Fachbereich Sprachen. Das ist eine ganz wichtige Schnittstelle zwischen den organisierenden Mitarbeitenden, den Dozent:innen und den Teilnehmenden. Wenn es etwas zu regeln gibt, sind es gerade die Sachbearbeiterinnen, die zuerst und häufig ganz besonders vertrauensvoll angesprochen werden. Sie kennen ihre „Pappenheimer“ – ob nun Mitarbeitende, Dozent:innen oder Teilnehmende. Sie wissen auch schwierige Situationen zu entspannen und nehmen den Fachbereichsleitungen und Pädagogischen Mitarbeitenden, die die Kurse organisieren und die Fachbereiche strategisch vorantreiben, ganz viel Arbeit und nicht selten auch Ärger ab. Schließlich kann bei über 1.000 Kursen und Veranstaltungen pro Jahr immer mal etwas schief gehen. Keiner möchte das, und doch kommt es vor.
Frau Schuldes hatte dafür ein besonderes Händchen und eine besondere Kundenorientierung. Nichts war zu viel, und wenn etwas zu klären war, fiel der Stift erst dann, wenn es erledigt war – egal ob es schon dunkel draußen oder Freitagnachmittag war. Alle im Getriebe der vhs waren auch entsprechend traurig, dass sie geht. Aber natürlich freut man sich andererseits auch darüber, dass Menschen mit guter Gesundheit, Lebensfreude, Schwung und Optimismus in die Nachberuflichkeit eintauchen und damit Familie – vielleicht auch und gerade die Enkelin – noch einmal ganz anders genießen können.
In ihrer großen Verantwortung war es daher auch nicht verwunderlich, dass sie nach Absprache schon vor einem Jahr damit begann, ihre täglichen Arbeitsabläufe zu reflektieren und aufzuschreiben: „Dadurch hatte ich eine gute Grundlage bei der Einarbeitung meiner neuen Kollegin. Es sind doch so die alltäglichen Aufgaben, in denen sich ein Automatismus entwickelt. Bei der Weitergabe der eigenen Erfahrungen denkt man an die vielen kleinen Puzzleteile gar nicht. Diese sind aber sehr wichtig für das neue Teammitglied, um sich in die Arbeitsprozesse hineinzuversetzen.“
Dabei war es vor 18 Jahren durchaus noch nicht so klar, dass sie einmal zu einer so wichtigen Person in der vhs werden könnte: „Für mich war es eine total neue Ausrichtung, hatte ich doch von Volkshochschule noch nicht so viel gehört.“ Offensichtlich hatte aber Frau Schuldes große Freude an der Arbeit, am Organisieren, am Managen von so vielen Dingen, gefühlt immer gleichzeitig.
Als sie 2004 kam, konnte sie auch noch nicht ahnen, dass kurz danach ein Prozess begann, der wegweisend für die Kultur in Jena und nicht zuletzt für die Volkshochschule sein würde. Die Gründung des Eigenbetriebes JenaKultur stand an und wurde 2005 vollzogen: „Ich erinnere mich noch an eine Veranstaltung in den Gründerjahren im Haus auf der Mauer mit Werkleitung, Einrichtungsleitenden und Mitarbeitenden mit dem Motto „Alle unter einem Dach“. Ziele waren ein gemeinsames Logo für alle Einrichtungen, effektivere Zusammenarbeit, mehr Miteinander – die einzelnen Einrichtungen sollten mehr voneinander profitieren.“ Das war sicher kein ganz einfacher Prozess. Und so verwunderte es nicht, wenn Frau Schuldes zu der Erkenntnis kam: „Zum damaligen Zeitpunkt waren die einzelnen Einrichtungen aber alle noch sehr mit sich selbst beschäftigt.“ Das scheint einsichtig, wenn ganz unterschiedliche Kultur- und Bildungsakteure einen neuen Weg beschreiten wollen. Sicher ist dabei nicht alles nur geglückt, aber es gibt auch Gutes und Vorteilhaftes zu berichten. So wurde im Jahr 2005 allen Volkshochschulen im Land Thüringen von jetzt auf gleich der Landeszuschuss um 50 Prozent gestrichen. Da ging ein Aufschrei nicht nur durch Thüringen. Wie sollte das kompensiert werden? In vielen Volkshochschulen im Land ging dieser Einschnitt nahezu an die Existenz, und die Erfüllung des öffentlichen Bildungsauftrags konnte von heute auf morgen nicht mehr gewährleistet werden. Hier stand aber der Eigenbetrieb vollständig hinter der vhs und kompensierte den finanziellen Ausfall. Daher kam Frau Schuldes im Gespräch wohl auch zu der Erkenntnis: „Gut ist schon mal, dass es uns noch gibt!“ Sehr genau verfolgte sie die Entwicklung von JenaKultur und ob das Versprechen des gegenseitigen Gebens und Nehmens wohl erfüllt werden würde. Hier kann sie bei allem Lob auch kritisch werden: „Sicherlich ist es schwierig, so viele unterschiedliche Einrichtungen unter einem Dach zu vereinen.“ Wie sehr hatte sie sich gewünscht, dass die vhs und die EAB Jena in einem gemeinsamen Haus ihre Synergien entwickeln könnten. Das hat dann schließlich nicht sollen sein, und die Wehmut diesbezüglich klingt merklich an – zumal der Kampf um Räume und nachhaltige Absprachen wohl immer wieder Thema waren.
Und doch blickt sie freudvoll, vielleicht auch ein wenig dankbar auf ihre Zeit in der Volkshochschule zurück, dankbar auch für ein Team, das immer zusammenhielt, mit dem so viel erreicht werden konnte, dem die Ideen nie ausgingen.
Befragt nach ihrem schönsten Erlebnis an der vhs, führt sie daher fast folgerichtig aus: „EIN schönstes Erlebnis gibt es nicht, es waren viele. Unsere gemeinsamen Klausurtagungen, die sich jährlich wiederholenden Fortbildungen über den Thüringer Volkshochschulverband. Die Teilnahme am Deutschen Volkshochschultag in Berlin. Dieser Erfahrungsaustausch mit den Mitarbeitenden anderer Volkshochschulen deutschlandweit war äußerst interessant. Man konnte immer neue Impulse und Anregungen für die eigene Volkshochschularbeit mitnehmen. Zahlreiche interessante Workshops und Vorträge vermittelten mir neue Wege und Ziele der Erwachsenenbildung. Die Teilnahme am Festakt „100 Jahre Volkshochschule“ in Frankfurt am Main in der Paulskirche war für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Aber auch unsere eigene Veranstaltung „100 Jahre Volkshochschule“ am 7. September 2019 war ein Höhepunkt meines Arbeitsleben.“
Und natürlich musste die Frage kommen, was sie sich wohl für die vhs in der Zukunft wünscht. Ihre Antwort fällt gewohnt differenziert und kämpferisch aus: „Ich wünsche meinem vhs-Team viel Energie und Durchhaltevermögen, denn einige Ziele aus den zurückliegenden Jahren haben wir noch nicht erreicht, z. B. ein größeres Haus mit genügend Seminar-, Gesundheitsräumen, einer eigenen Küche etc. – natürlich mitten im Zentrum der Stadt. Ich wünsche der vhs eine noch engere Zusammenarbeit mit der Stadt als DER – und ihrer eigenen – kommunalen Erwachsenenbildungsanbieterin.“
Und so lassen wir also unsere Frau Schuldes in den Ruhestand ziehen. Die Treffen mit dem Team jedenfalls sind vorprogrammiert. Dank ihrer hervorragenden Übergabe konnten wir nun auch schon unsere junge Mitarbeiterin Joana Thomas begrüßen. Sie muss zwar noch ihre Ausbildung beenden, arbeitet sich aber schon wunderbar in die Aufgaben des größten Fachbereiches der vhs ein – hat viel von Frau Schuldes gelernt, wird aber – dem Lauf der Dinge gemäß – sicher auch Vieles anders machen. Wünschen wir beiden Frauen viel Freude an dem, was auf sie zukommt!
Kennen Sie Frau Schuldes von Ihren Besuchen in der vhs? Haben Sie auch nette Kolleg:innen, von denen Ihnen der Abschied schwer fällt? Wir freuen uns wie immer über Ihre Feedbacks?