Das Volkshaus geschlossen, die Konzerte abgesagt und auch an gemeinsame Proben eines 74-köpfigen Orchesters ist gerade nicht zu denken.
„Die Abstandsregel einzuhalten ist im Orchester schwer möglich, ganz abgesehen von der Mundschutzpflicht in geschlossenen Räumen, die vor allem die Bläserkollegen schwer treffen würde.“
Christoph Staemmler, Kontrabass
Was machen die Musiker*innen und Mitarbeiter*innen der Jenaer Philharmonie und wie können sie ihr Publikum trotzdem mit ihrer Musik erreichen?
Aus dem CD-Regal der Philharmonie direkt in die eigenen vier Wände
Um auch weiterhin von ihrem Publikum gehört werden zu können, kommt die Jenaer Philharmonie nun in digitaler Form ins heimische Wohnzimmer. Musikalisch abwechslungsreiche CD-Aufnahmen der Jenaer Philharmonie, die teilweise gar nicht im Handel erhältlich sind, warten nun darauf, als CD der Woche auf der Website der Jenaer Philharmonie im Bereich Diskographie entdeckt zu werden.
Mit dieser Aktion, die kostenfrei zur Verfügung gestellt wird, möchte das Orchester gleichzeitig auch auf die dramatischen finanziellen Auswirkungen aufmerksam machen, die die corona-Krise für alle freischaffenden Kolleg*innen hat und bittet herzlich, statt einer Eintrittskarte für dieses virtuelle ‚Konzert‘, der Deutschen Orchester-Stiftung, die einen bundesweiten Nothilfefonds zugunsten freischaffender Berufsmusiker*innen eingerichtet hat, eine Spende zukommen zu lassen. #MusikerNothilfe: Zur Deutschen Orchestervereinigung
Zuhören mal anders
Einige Musiker*innen des Orchesters haben in diesen Tagen ihr Notenpult gegen einen Telefonarbeitsplatz an der Hotline der Stadt, die von Mitarbeitern von JenaKultur betreut wird, eingetauscht. Einer davon ist Christoph Staemmler, der normalerweise Mitglied der Kontrabassgruppe ist und auch an der Musik- und Kunstschule Jena unterrichtet, und hier über seine ’neue‘ Aufgabe berichtet:
Etliche Kolleg*innen der Philharmonie und der Musik- und Kunstschule Jena sind dem Ruf der Stadtverwaltung gefolgt, an der städtischen corona-Hotline auszuhelfen. Wir tauschen also seit ein paar Wochen das Instrument gegen den Telefonhörer. Kannten die meisten von uns im Volksbad bisher nur den Saal, in dem Proben und Konzerte stattfanden (und hoffentlich bald wieder stattfinden), so galt es nun den Arbeitsplatz in die Büros der oberen Etagen zu verlegen. Die Anleitung durch die Kolleg*innen der Verwaltung und die Zusammenarbeit ist eine sehr positive Erfahrung und funktioniert dankenswerter Weise hervorragend. Das leicht mulmige Gefühl am Anfang, was mich erwarten würde, legte sich schnell. Die in manchen Diensten zahlreichen Anrufer sind meistens freundlich und geduldig, nicht zu beantwortende Fragen werden weitergeleitet oder im Rückruf geklärt. Sehr bemerkenswert finde ich, wie sehr amtliche Anordnungen bei den Menschen immer mehr Fragen aufwerfen und den einen oder anderen in Situationen bringen, an die vorher mit Sicherheit noch keiner gedacht hat. Am Telefon sind wir ja keine Entscheider, sondern versuchen den Menschen die Anordnungen begreiflich zu machen und um Verständnis zu werben, obwohl viele durchaus von vornherein einverstanden sind. Manchmal ist auch ein bisschen Seelsorge dabei, dann kann ein Telefongespräch auch schon mal länger dauern.
Aber nicht nur an der Hotline sind die Orchestermusiker aktiv. Denn auch musikalisch werden kleine Projekte erarbeitet und unterstützt: Für das von JenaTV produzierte Video Jena – You’ll never walk alone, einem Dank an all die Menschen in Jena, die nicht zu Hause bleiben können, sondern sicherstellen, dass die Bevölkerung in allen wichtigen Lebenslagen versorgt bleibt, haben Mitglieder der Streichergruppen die Musik eingespielt – dabei wurden natürlich, um die Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren, alle Musiker einzeln aufgenommen.
Außerdem wurden in der vergangenen Woche mit einigen Musikern, solistisch oder im Duett (wie hier im Foto), kleine Konzerte von JenaTV aufgezeichnet. Auch Thomas Stridde berichtete darüber für die TLZ.
Über Ostern sind alle Musiker sowie die Verwaltung der Jenaer Philharmonie in den Orchesterferien – natürlich zu Hause und definitiv anders als gedacht. Dennoch tanken wir alle Kraft und freuen uns darauf, Sie bald wieder im Volkshaus zu sehen und für Sie zu spielen! Und sollten die behördlichen Anordnungen weiterhin reguläre Konzerte verhindern, denken wir uns auch nach Ostern Möglichkeiten aus, wie unsere Musik Sie trotzdem erreichen kann. Wir bleiben da!