Stadtklimakonzept
Die Jenaer Klimaanpassungsstrategie (2013) als Leitkonzeption einer klimaresilienten Stadtentwicklung soll mit dem Stadtklimakonzept fortgeschrieben bzw. weiter vertieft werden. Übergeordnetes Ziel ist die Erarbeitung von Planungsgrundlagen und Entscheidungshilfen mit erhöhter Detaillierung als JenKAS zur Berücksichtigung klimatischer Belange in der Stadtentwicklung. Die Auswirkungen des Klimawandels sollen gemindert werden, um die Stadt als attraktiven Raum zum Leben und Arbeiten für seine Bewohner zu erhalten.
Das Stadtklimakonzept soll dazu beitragen, eine bauliche Entwicklung des Oberzentrums zu ermöglichen und dabei eine ausreichende Durchlüftung und Frischluftversorgung der Stadt sicher zu stellen sowie einer Überwärmung entgegenzuwirken. Es soll konkrete Hinweise für die Stadtplanung bereitstellen, wie in zukünftigen Planungsprozessen wichtige Durchlüftungsbahnen in ihrer Funktion erhalten bleiben und wie mit Überwärmungsbereichen umgegangen werden sollte. Das Stadtklimakonzept versteht sich als Fortschreibung der Jenaer Klimaanpassungsstrategie im Vertiefungsbaustein „Wärmebelastung und Belüftung“.
Projektziele
Mit dem Stadtklimakonzept erfolgt eine vertiefende Bewertung der klima- und immissionsökologischen Funktionen der Stadt Jena. Das Stadtklimakonzept soll aber nicht nur den Ist-Zustand der klimatischen Situation bewerten, sondern auch geplante bauliche Veränderungen in den Fokus nehmen. Aktuell erfolgt durch den Fachdienst Stadtentwicklung die Fortschreibung des Flächennutzungsplanes der Stadt Jena. Das Stadtklimakonzept soll die geplanten Entwicklungsflächen hinsichtlich ihrer zu erwartenden stadtklimatischen Auswirkungen bewerten und Handlungsempfehlungen für die bauliche Umsetzung der einzelnen Entwicklungsflächen bereit stellen.
In Planungshinweiskarten soll eine räumlich abgegrenzte stadtklimatische Beurteilung (Kaltluft, Wärmebelastung) und in der Folge eine Ableitung konkreter Planungshinweise zur Verbesserung bzw. Erhalt der lokalklimatischen Situation für einzelne räumlich abgegrenzte Gebiete erfolgen.
Die gewonnenen Erkenntnisse gilt es in letzter Konsequenz in das kommunale Handeln zu überführen. Ein wesentlicher Schwerpunkt des Stadtklimakonzepts ist somit die instrumentelle Umsetzung und planungsrechtliche Verankerung der erforderlichen Maßnahmen. Es sollen konkrete Vorschläge zu (quantifizierbaren) Vorgaben, Auflagen und Festsetzungen sowie mögliche Instrumente zu deren Umsetzung unterbreitet werden. Insbesondere die Möglichkeit der Vorgabe konkreter rechtlicher Festsetzungsmöglichkeiten in bebauungsplänen soll einer detaillierten Betrachtung unterzogen werden.
Projektbausteine
Das Projekt gliedert sich in die folgenden Projektbausteine.
1. Stadtklimamodellierung und Klimaanalyse
Die städtische Überwärmung nimmt in Jena infolge fortschreitender Innenverdichtung aufgrund eines hohen Nutzungsdrucks auf die begrenzten Flächen und der globalen Klimaveränderungen weiter zu. Im Sinne einer klimaresilienten Stadtentwicklung ergibt sich die Notwendigkeit, die Flächen hinsichtlich ihrer Klimaeigenschaft bzw. Klimafunktion zu bewerten. Diese Bewertung bildet dann die Grundlage und Argumentationshilfe zur Einschätzung baulicher Entwicklungen, für die Erarbeitung von Optimierungsvorschlägen und zur Sicherung von Flächen.
In einem ersten Schritt wird hierzu eine dreidimensionale, räumlich hochaufgelöste Stadtklimamodellierung mit FITNAH-3D durchgeführt, die sowohl die aktuelle Nutzungs- und Grünstruktur abbildet als auch verschiedene Flächennutzungs- und Klimawandelszenarien widerspiegelt. Das ca. 195 km² große Untersuchungsgebiet wird in einer horizontalen Rasterung von 10 m über 24 h (Zeitschritt: 10 Sekunden) modelliert. Dies bildet die Basis für die qualitative und quantitative Beurteilung des klimaökologischen Prozessgeschehens Kaltluft und der Überwärmungssituation bzw. der humanbioklimatischen Belastungssituation für Tag bzw. Nacht.
Die Stadtklimaanalyse wird für drei Szenarien im Zielzeitraum bis 2035 durchgeführt:
Szenarien Stadtklimaanalyse bis 2035
Szenario | Merkmale |
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Szenario „Ist-Situation“ |
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Szenario „Klimawandel“ |
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Szenario „Klimawandel plus Stadtentwicklung“ |
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Aus den drei hochauflösenden Modellrechnungen werden im nächsten Schritt Einzelkarten zu zentralen Stadtklimakenngrößen abgeleitet. Dazu gehören das bodennahe Temperatur- und Windfeld, der Kaltluftvolumenstrom, die Kaltluftproduktionsrate (Nacht) sowie die gefühlte Temperatur (Tag) und dies jeweils für die Ist-Situation und die beiden Zukunftsszenarien. Diese klimatischen Einzelinformationen werden anschließend in sechs synthetischen Klimaanalysekarten (eine für jedes Szenario) jeweils für den Tag (14:00 Uhr) und die Nacht (04:00 Uhr) zusammengeführt.
2. Bewertungs- und Planungshinweiskarten
In diesem Projektbaustein erfolgt die Bewertung der vorliegenden Klimaanalyse. Diese Bewertung orientiert sich an der VDI-Richtlinie 3785 Blatt 1. Mit Hilfe von Bewertungskategorien wird die Identifikation von Gunst- und Ungunstfaktoren eines Standortes sowie die gezielte Ableitung des Handlungs- und Planungsbedarfs ermöglicht. Zu den Bewertungskriterien gehören die Klimafunktion, die räumliche Lage, die Wertausprägung, die Flächengröße und der Flächentyp.
Das Stadtgebiet wird in Wirkraum (Siedlungs-/Verkehrsflächen) und Ausgleichsraum (Grün-/Freiflächen) eingeteilt und über einen Algorithmus bzw. die s.g. z-Transformation einer entsprechenden Bewertungskategorie (sehr günstig bis sehr ungünstig bzw. sehr hohe bis sehr geringe klimatische Bedeutung) zugeordnet. Diese Bewertung erfolgt jeweils für die Tag- und die Nachtsituation in allen drei Szenarien. In der Folge liegen 6 Bewertungskarten für das Stadtgebiet vor.
Die Bewertungskarten bilden die Basis der Planungshinweiskarte zum Stadtklima. Die Planungshinweiskarte soll als wichtige Grundlage für die Berücksichtigung der klimatischen Belange in der vorbereitenden und verbindlichen Bauleitplanung erarbeitet werden und konkrete Handlungsempfehlungen zum Erhalt eines angenehmen Stadtklimas (Bioklimas) bzw. zur Verbesserung ungünstiger klimatischer Bedingungen bereitstellen. Ziel ist der Erhalt der Lebensqualität im Sinne des § 1 Abs. 5 BauGB sowie der Erhalt gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Sinne des § 34 BauGB in der Stadt bei gleichsam bedarfsgerechter Standortweiterentwicklung eines Oberzentrums.
Die Entwicklungsflächen der FNP-Fortschreibung finden in der Planungshinweiskarte Berücksichtigung. Für jede Entwicklungsfläche erfolgt eine individuelle klimatische Beurteilung der Kaltluftsituation und der Wärmebelastung in einem Steckbrief. Entsprechend der Flächenbewertung werden Empfehlungen zum Maß der Bebauung, Gebäudestellung, Straßen- und Gebäudegrün, zum Regenwasser (Nutzung, Versickerung, Speicherung, Verdunstung), zur Entsiegelung und zur Materialwahl für Gebäude und Infrastruktur (Wärmeeintrag, Wärmespeicherung) unterbreitet.
3. Instrumentelle Umsetzung
Mit dem Ziel, die gewonnenen Erkenntnisse und die darauf aufbauenden Handlungsempfehlungen aus den Planungshinweiskarten planungsrechtlich zu verankern und in die Umsetzung zu überführen, soll im Rahmen des Stadtklimakonzepts abschließend eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der instrumentellen Umsetzung erfolgen. Hier sollen die Instrumente der formellen Planung, also die vorbereitende sowie verbindliche Bauleitplanung, in den Fokus der Betrachtungen genommen werden.
Alle Maßnahmen, die in den Planungshinweiskarten Erwähnung finden und einer stadtklimatischen Optimierung dienen, werden hinsichtlich der bestehenden Möglichkeiten zur planungsrechtlichen Verankerung geprüft und geeigneten Planungsinstrumenten zugewiesen. Es sollen konkrete Vorschläge erarbeitet werden, welche – insbesondere auch quantifizierbare – Vorgaben, Auflagen, Festsetzungen etc. durch welche Instrumente am besten umgesetzt werden können.
Akteure / Beteiligungsprozess
Das Projekt wird federführend im Fachdienst Stadtentwicklung durchgeführt und durch den externen Gutachter Geonet Umweltconsulting GmbH aus Hannover fachlich begleitet. Weiterhin wurde für den Erarbeitungsprozess eine verwaltungsinterne Projektgruppe etabliert.
Förderung im Programm „Klima Invest“
Das Projekt wird im Rahmen des Förderprogramms „Klima Invest“ durch die Thüringer Aufbaubank anteilig (40%) gefördert. Die Förderung zielt ab auf das Erreichen der Ziele des Thüringer Klimagesetzes, insbesondere auf die Verminderung von Treibhausgasemissionen und die Anpassung an die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels in Thüringen.