Sitzt ein Personaler vor einem riesigen Haufen Bewerbungen. Er nimmt die ersten zwanzig und schmeißt sie ungesehen in den Müll. Seine Begründung: „Die haben Pech und Leute mit Pech können wir nicht brauchen.“
Der Einstieg in ein Bewerbungsverfahren, das zeigt auch dieser kleine Witz, ist schon so eine Sache. Was ist hier Glück? Was eigenes Können? Was kann ich beeinflussen und was nicht? Diese Fragen stellen sich Bewerber:innen wohl immer. Und deshalb schreibt auch fast niemand gern Bewerbungen. Bei Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen wollen oder neu hier sind, ist solch ein Vorhaben überdies aber noch mit vielen weiteren Fragen behaftet: Was bedeutet zum Beispiel m/w/d in Stellenanzeigen? Was sind deutsche Sprachkenntnisse A1, A2, B1, B2, C1 und C2? Oder: Wie erhalte ich ein Arbeitsvisum?
Internationalität ausdrücklich erwünscht
Hinzu kommen mitunter auch Zweifel und Unsicherheiten, wie: Gibt es Vorurteile gegenüber meinem Namen, meinem Foto, meiner Herkunft? So erzählt auch Joanna Pawlaczek, Mitarbeiterin des Jenaer „Welcome Centers“: „In Deutschland ist die anonymisierte Bewerbung noch nicht verbreitet, auch die Verwendung eines Bewerbungsfotos wird gern gesehen. Letzteres ist in anderen Ländern ein Tabu, was durchaus nachvollziehbare Gründe hat.“ Die gebürtige Polin hat als Expertin für internationale Fachkräftegewinnung schon eigene Erfahrungen mit diesen Unsicherheiten gemacht. Sie sieht in Jena nur selten Stellenausschreibungen mit dem Zusatz versehen: Bewerber:innen mit Migrationshintergrund ausdrücklich erwünscht.
Eine eigentlich simple Formulierung, die Menschen mit Migrationshintergrund dennoch Mut macht. So erinnert sie sich: „In Berlin, wo ich einige Jahre arbeitete, war es schon gebräuchlicher, solche Formulierungen zu nutzen. Ich fühlte mich dadurch direkter angesprochen, bekam das Gefühl explizit gewollt zu sein. So hatte ich zuerst gar nicht vor, mich in Jena zu bewerben.“ Die Ausschreibung für das neugegründete „Welcome Center Jena“ enthielt einen solchen Zusatz nämlich nicht. Sie wagte es trotzdem und hatte mit ihrem Profil Erfolg. Nun möchte sie in ihrem neuen Job mehr Bewusstsein für dieses Thema schaffen. Dazu gehört es auch, unbewusste Denkmuster und Vorurteile zu durchbrechen und zu einem konstruktiven Umgang mit Konflikten zu ermuntern.
Win-Win
Seit einigen Monaten sind die Mitarbeiterinnen des „Welcome Center Jena“ nun schon tätig. Sie halten Workshops, beraten Studierende, Migrant:innen oder auch Jobsuchende, die durch ihre Partner:in nach Deutschland und nach Jena kamen. Sie klären über Besonderheiten im Bewerbungsverfahren auf und informieren über spezifische Formalitäten. Auch mitten in der Pandemie. Dann eben per Videokonferenz. Die Expertinnen für internationale Fachkräftegewinnung sensibilisieren darüber hinaus auch Unternehmen gegenüber dem Thema Vielfalt. „Arbeitgebende wie –nehmende, mit ausgeprägter Selbstreflexion, einem Bewusstsein über die Wirkung unbewusster Denkmuster und guter Sprachkompetenz, sind sehr gut auf die Arbeit in internationalen Teams vorbereitet“, bekräftigt auch Teampartnerin Cornelia Meyerrose. „Im Wettbewerb um die besten Talente punkten die Unternehmen, die internationale und vielfältige Teams haben. Dabei gibt es aus unserer Sicht nicht DIE eine Lösung. Im Beratungsgespräch teilen wir unser Wissen und unsere Erfahrungen und begleiten so jeden individuellen Weg.“