Seit 15 Jahren erinnern zahlreiche Veranstaltungen wieder an das gesellschaftliche, politische und kulturelle Engagement von Clara und Eduard Rosenthal, welche die nach ihnen benannte Villa Rosenthal und den dazu gehörigen Garten vor 100 Jahren der Stadt Jena testamentarisch übertragen haben. In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Villa Rosenthal Jena zu einem Ort entwickelt, an dem es sich in entspannter Atmosphäre angeregt diskutieren, aber auch im festlichen Rahmen feiern lässt.
Das Haus im gründerzeitlichen Stil wurde bereits kurz nach dem Einzug der Familie 1892 bis zum Tod Eduard Rosenthals 1926 zu einem kulturellen Treffpunkt in Jena. Eine gepflegte, bildungsbürgerliche Atmosphäre herrschte im Haus und zahlreiche Gäste gingen ein und aus, wie schriftlichen Zeugnissen entnommen werden kann. Kulturelle Bildung und die Vermittlung sowie der Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur waren dem Ehepaar ein besonderes Anliegen, und gerade dieser Austausch liegt uns auch heute ganz besonders am Herzen.
Im Jahr 2004 übernahm die jenawohnen GmbH (Stadtwerke Jena Gruppe) das Haus und das Anwesen der Rosenthals und fand im Jahr 2007 in JenaKultur einen geeigneten Partner, um im Sinne des Testaments ein gemeinsames Nutzungskonzept zu entwickeln. Im Jahr 2009 konnte die behutsame Sanierung – einhergehend mit entsprechenden modernen, bautechnischen Erfordernissen, die die heutige Nutzung verlangt – abgeschlossen werden.
Inhaltlich war und ist im gemeinsam erarbeiteten Nutzungskonzept vorgesehen, dass die Nutzung des Hauses im Wesentlichen auf drei Säulen beruht, zum Einen auf Einmietungen, zum Zweiten auf öffentlichen kulturellen Veranstaltungen sowie Ausstellungen und zum Dritten auf einem Stipendienprogramm. Daran wurde auch nach den Evaluierungen im Jahr 2012 und 2017 festgehalten.
Alle Veranstaltungen, ob privat oder öffentlich, erinnern uns daran, dass gemeinschaftlich erlebte Ereignisse Menschen miteinander verbinden, sie bewegen und ergreifen. Das kann die Begegnung mit Geschichte sein, eine Vernissage, eine Lesung, ein Konzerterlebnis u. v. m. … Es lohnt sich also immer ein Blick in den aktuellen Veranstaltungskalender.
In den Jahren 2009 bis 2024 wurden ca. 460 öffentliche Veranstaltungen in der Villa Rosenthal realisiert, darunter u. a. 100 Lesungen, 80 Konzerte und 30 Projekte. Zu letzteren zählen insbesondere auch die von den Freiwilligen im Sozialen Jahr im Bereich Kultur in der Einsatzstelle Villa Rosenthal durchgeführten Projekte, darunter bspw. ein Poetryslam. Insgesamt haben in den vergangenen 15 Jahren ca. 22.000 Besucher und Besucherinnen die verschiedenen Veranstaltungen in der Villa Rosenthal Jena wahrgenommen.
JenaKultur hat sich u. a. mehrfach an der Aktion der unbezahlbaren Gelegenheiten sowie der Aktion „Klang der Stolpersteine“ beteiligt und mit verschiedenen Partner:innen und Veranstalter:innen zusammen gearbeitet, bspw. dem Lese-Zeichen e. V., dem Jazzclub International e. V., dem Jazz im Paradies e. V., dem Thüringer Landesmedienbildungszentrum, der Alten & Kleinen Synagoge, der Ernst-Abbe-Hochschule Jena und der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Bis heute wurden 65 Wechselausstellungen mit verschiedenen Rahmenprogrammen sowie inhaltlichen Schwerpunkten in der Villa Rosenthal Jena realisiert und von insgesamt 12.000 Gästen besucht.
Die Villa Rosenthal Jena hat bislang 35 Stipendiaten und Stipendiatinnen die Möglichkeit gegeben, hier vor Ort zu wohnen und zu arbeiten, teils mit eigenen Projekten, teils mit Arbeitsaufträgen. Öffentliche Veranstaltungen mit den Clara-und-Eduard-Rosenthal-Stipendiaten der Stadt Jena wurden bis heute von ca. 1.000 Gästen besucht.
In den letzten 15 Jahren fanden insgesamt ca. 460 Einmietungen (Tagungen, Workshops, Jubiläen Hochzeits- und Geburtstagsfeiern u. v. m.) auf dem ehemaligen Anwesen der Rosenthals statt, mit mehr als 30.000 Gästen.
Während der Coronapandemie waren Resonanzerfahrungen aufgrund der gesetzlichen und räumlichen Gegebenheiten starke Grenzen gesetzt. Dennoch hat JenaKultur auch in der Zeit des sozialen Abstands im Zeitraum 2020 bis 2022 neue Ideen entwickelt, um Begegnungen zu schaffen.
65.000 Besucherinnen und Besucher wären sich nicht auf dem ehemaligen Anwesen der Familie Rosenthal begegnet, wenn Eduard und Clara Rosenthal die Villa Rosenthal und das dazu gehörige Anwesen vor 100 Jahren der Stadt Jena nicht vererbt hätten. Die Verbundenheit, die sich in diesem Geschenk ausrückt, erfüllt uns demnach nicht nur mit Verpflichtung, sondern auch mit großer Dankbarkeit.
JenaKultur möchte an dieser Stelle allen danken, die den Eigenbetrieb der Stadt in den vergangenen Jahren unterstützt, begleitet, besucht und dafür gesorgt haben, dass JenaKultur dem Vergessen, das sich über das wissenschaftliche, soziale und kulturelle Werk Eduard Rosenthals ausgebreitet hat, entgegen wirken können. Unser Dank gilt der z. T. jahrelangen Zusammenarbeit, den guten Ideen und der fortwährenden Schaffensfreude lokaler Kulturakteur:innen, Institutionen und Initiativen. Gerade dieses Miteinander hält das Haus in Bewegung und trägt einen großen Anteil daran, das aktuelle Nutzungskonzept stetig fortzuentwickeln.
Ein ganz besonderer Dank gilt Dr. Dietmar Ebert für sein ungebremstes privates und wissenschaftliches Interesse, ohne dass JenaKultur nur wenig über das Leben der Familie Rosenthal wüssten. Er schreibt in seinem 2018 erschienenen Essay „Eduard Rosenthal – Ein Charakterporträt“, dass „heute nicht bruchlos an die bürgerliche Salonkultur des frühen 20. Jahrhunderts angeknüpft werden kann. Zu leidvoll sind die Erinnerungen an den sinnlosen Tod des gemeinsamen Sohnes Curt Rosenthals, die Entrechtung und den Suizid Clara Rosenthals und das Vergessen… Im Zeitalter der Beschleunigung wird zudem häufig der Eindruck erweckt, es gäbe Wichtigeres, als sich der Vergangenheit zu erinnern. Doch je stärker alle Lebensbereiche von ihr durchdrungen werden, umso größer wird das Bedürfnis des Menschen nach etwas, was größer ist als der Einzelne, was ihn ergreift, erschüttert, berührt oder erhebt, was ihn bei sich selbst sein lässt. Der Soziologe Hartmut Rosa nennt das Resonanz. Die Villa Rosenthal hat in ihrer Gestalt und Funktion gute Voraussetzungen, um Resonanzerfahrungen vermitteln zu können.“
Das muss gefeiert werden: am 8. September 2024
Im Rahmen des diesjährigen Tages des offenen Denkmals unter dem Motto „Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte erwartet alle Besucherinnen und Besucher der Villa Rosenthal ein vielseitiges Programm bei freiem Eintritt von 10 bis 19 Uhr.
Zu Beginn des Tages begrüßt JenaKultur Sie zu Geschichten und Liedern aus dem Hut mit der Erzählerin Antje Horn und dem Kinderchor „Smallbirds” der Musikwerkstatt Jena unter der Leitung von Paula Sauer. Viele bunte Zettel in einem Hut – das Los entscheidet, welche Geschichten erzählt und welche Lieder gesungen werden. Lassen Sie sich überraschen.
Zur späten Mittagszeit laden Helga Assing (Piano) und Friedrun Vollmer (Werkleitung JenaKultur und Violine) zu einem musikalischen Salon in das Musikzimmer des Hauses ein. Die Tradition belebend und fortsetzend, erklingen – nach einer Festansprache der Werkleiterin – Werke von Komponistinnen und Komponisten, die das von Jena ausgehende Gedankengut der (Früh-)Romantik musikalisch verarbeiten.
Seit 2010 beschäftigt sich der Jenaer Autor, Publizist und Lektor Dietmar Ebert mit dem Schicksal der Familie Rosenthal. Während seiner beiden Führungen am Nachmittag wird er von viel Gutem, aber auch Tragischem erzählen, das im Hause Rosenthal geschah, und er wird neue Funde über das Leben der Rosenthals präsentieren.
Im Programm für Erwachsene, ebenfalls am Nachmittag, erzählt Antje Horn vom Hochhinausfliegen und Tiefhinabtauchen, mal mit und mal ohne musikalische Begleitung von Stefan Nagler (Piano), mal mit und mal ohne Happy End.
Zum Abschluss des Tages können Sie M. Kruppe und Ralf Schönfelder als literarische Sommeliers mit ihrem Programm „Die Literarische Destille“ erleben und somit einen hochprozentigen (frühen) Abend mit humorvollen und ernsten Anekdoten über Autorinnen, Autoren und deren Lieblingsgetränke.
Für eigene Erkundungen sind auch die Räume im Obergeschoss ganztägig geöffnet. Das schließt zum einen die Dauerausstellung rund um die Familie Rosenthal und zum zweiten die Graphic Novel Ausstellung „Drei Steine“ ein. Letztere erzählt eine bislang einzige autobiografische Geschichte gegen rechts und war bereits an 17 Orten in ganz Deutschland zu sehen – nun das erste Mal in Thüringen. Das im Jahr 2020 im Salon realisierte „Dezentrale Denkmal“ können Sie am Tag des offenen Denkmals ebenfalls besichtigen. An fünf Standorten in Jena, Weimar und Erfurt erinnern „Erkundungsbohrungen“ an Eduard Rosenthals Verdienste und an seine Ausgrenzung. Der Entwurf von Horst Hoheisel und Andreas Knitz ging als Sieger aus dem Wettbewerb um den Botho-Graef-Kunstpreis 2018 der Stadt Jena hervor.
Darüber hinaus lädt der parkähnliche Garten mit Gedenkpavillon und dem Kunstdenkmal Folly (Staffagebauwerk) zum Wandeln und Verweilen ein. Dieses reiht sich auf der einen Seite in den bereits existierenden Kontext aus kleinen exzentrischen Orten, wie Brunnen, Gedenkpavillon, Teich und Wandelgang ein, hat jedoch auch eine neue Qualität zu bieten: Den Blick in die Ferne.
Der Ausblick
Im Hinblick auf die künftige Nutzung im Rahmen der kommenden Zuschussperiode gilt es, dem Lebenswerk des aufgeklärten Demokraten Eduard Rosenthal gerecht zu werden und zugleich dieses Erbe für alle Besucher und Besucherinnen der Stadt Jena weiterzuentwickeln. In unserer Gegenwart, in der die parlamentarische Demokratie Missstände aufweist, die Eduard Rosenthal sehr zuwider waren, wird JenaKultur ff. weiterhin versuchen, Gemeinschaft zu leben ohne Trennendes außer Acht zu lassen. Hierfür braucht es die lebendige Erinnerung an Menschen wie Clara und Eduard Rosenthal.