Kleine Vorbemerkung: Als ich vor 27 Jahren nach Jena kam, um in der Stadtverwaltung im Bereich der Beitragserhebung Aufbauarbeit zu leisten, war noch nicht klar, dass ich hier zukünftig meinen Lebensmittelpunkt finden würde. Was mich an der Herausforderung reizte, war, dass ich – nicht nur bezogen auf das damalige Bauverwaltungsamt – in der Stadtverwaltung ein Team von engagierten Kolleginnen und Kollegen fand, deren Interessen auch auf den Bürger fokussiert waren und nicht allein auf die zu erledigenden Aufgaben.
Dabei ist das Feld der Erschließungs- und Straßen(aus)baubeitragserhebung nicht gerade geeignet, dem Bürger – hier den Grundstückseigentümern – eine positive Stimmung zu vermitteln. Jeder einzelne, jede hiervon betroffene Familie, weiß genau, was er/sie mit dem Geld, das an die Stadt Jena für die Herstellung, Erneuerung oder Verbesserung einer Straße zu zahlen ist, dringender, besser oder sinnvoller machen könnte. Aber es steht nun einmal nicht in der freien Entscheidung der Stadt Jena, Erschließungs- oder Straßenbaubeiträge zu erheben. Es ist eine gesetzliche Pflicht, der die Stadt nachzukommen hat – ob sie dies will oder nicht.
Selbst im aktuellen Fall des Thüringer Kommunalabgabengesetzes würde eine Entscheidung, ab dem 01.01.2019 auf die Erhebung der Straßenbaubeiträge zu verzichten, zwar dem Stadtrat obliegen, aber genehmigen müsste dies die Landesaufsichtsbehörde der Stadt Jena unter Berücksichtigung des städtischen Haushalts. Dieses Beispiel zeigt ein methodisches Problem der Beitragserhebung: frei entscheiden können Kommunen hier nicht, obwohl ihnen der „Schwarze Peter“ immer wieder von den Gesetzgebern zugeschoben wird. Über allem steht in der Regel nicht die Kommune sondern der Bund oder der Freistaat. Und es sollte immer klar sein:
Jeder Euro der von der öffentlichen Hand – sei es nun bei den Kommunen, dem Freistaat oder dem Bund – für den Straßenbau oder die Erneuerung von Straßen ausgegeben wird, kommt aus den Taschen der Bürger.
Unser Ansatz in Jena, der über die Jahre gleichsam Anspruch und Messlatte war, ist: Wenn wir Beiträge zu erheben haben, dann „in höchster Qualität“. Heißt, dass wir versuchen – und über die letzten zweieinhalb Jahrzehnte ist uns das Jahr für Jahr immer besser und erfolgreicher gelungen, wie man auch an den für Jena maßgeblichen Gerichtsentscheidungen sieht – in der als vom Bürger als ungerecht empfundenen Erhebung von Beiträgen
1. eine möglichst einfach nachzuvollziehende Beitragsgerechtigkeit zu erzielen (etwas, was auch viel mit Gleichbehandlung zu tun hat)
2. die Beitragspflichtigen als Partner zu sehen und zu behandeln, ihnen (= Abteilung Beiträge plus die zuständigen Entscheidungsgremien des Stadtrats) soweit dies möglich ist, jahrelange zinsgünstige Ratenzahlungen einzuräumen* und in Einzelfällen zinslose Stundungen auszusprechen.
Das mindert nicht die Höhe des einzelnen Beitrags, führt aber dazu, dass – solange es diese gesetzliche Pflicht gibt, an der nicht zu rütteln ist – die Beitragslast monatlich so klein gehalten wird, dass es nicht zu existenziellen finanziellen Bedrohungen für die beteiligten Familien oder Alleinerziehenden bzw. Einzelpersonen, Rentner, Singles etc. kommt.
Nun gibt es in die Angelegenheit seit einiger Zeit in Thüringen eine neue Dynamik: Zur Jahresmitte 2019 soll die Beitragserhebung rückwirkend ab dem 01.01.2019 abgeschafft werden. Das ist sinnvoll und wäre umfassend zu begrüßen, wenn diejenigen, die über die letzten mehr als 25 Jahre Beiträge für Straßen(aus)bau bezahlt haben, diese auch wieder zurückerhalten würden – ganz so wie es vor etwa zwanzig Jahren im Bereich der Entwässerung von der damaligen Landesregierung beschlossen wurde. Warum? Weil hier sonst durch die Beseitigung einer Ungerechtigkeit eine neue entstehen würde.
Im aktuellen Fall will die Thüringer Landesregierung den Kommunen diejenigen Gelder aus dem Landeshaushalt ersetzen, die zukünftig nicht mehr durch die Beitragserhebung eingehen. Aber:
Ob Straßen(aus)baubeiträge abgeschafft werden, ob auf ein anderes System der Beitragserhebung umgestellt wird, ob Beitragssätze gesenkt werden und es bei der Erhebung der Straßenbeiträge bleibt: bezahlen muss es immer der Steuerzahler. Und alles andere, das erzählt wird, ist schlicht gelogen.
Wenn im Freistaat vom nächsten Jahr an für immer jährlich 25 Millionen Euro oder mehr aus dem Landeshauhalt abfließen und den Thüringer Kommunen gegeben werden, da diese keine Beiträge mehr erheben, steht dieses Geld für andere Dinge nicht (mehr) zur Verfügung.
[FORTSETZUNG FOLGT]
Rainer Sauer
Dipl.-Verw. (FH) und Leiter des Abteilung Beiträge
im Kommunalservice Jena