Wladimir, Russland
Zur aktuellen Situation
Den Bruch des russischen Präsidenten mit der freiheitlich-demokratischen Ordnung Europas und die Verletzung von Menschenrechten und Frieden in Europa verurteilt die Stadt Jena auf das Schärfste. Die schockierenden Entwicklungen verdeutlichen einmal mehr, wie wichtig es ist, sich für Demokratie und ein friedvolles Miteinander kontinuierlich und mit vereinten Kräften einzusetzen. Auch vor diesem Hintergrund beabsichtigt Jena derzeit nicht, die Städte-Kooperation mit der Stadt Wladimir zu beenden.
Denn:
- Städtepartnerschaften haben sich nach dem 2. Weltkrieg mit dem Ziel gebildet, aktiv für Dialog und Verständigung zwischen Menschen verschiedener Nationen zu sorgen.
- Internationale kommunale Kontakte wie Städtepartnerschaften und Kooperationen bieten die Möglichkeit zur Begegnung von Menschen der Länder, zum Austausch und Kennenlernen der anderen Kultur, abseits der großen, oft konfliktreichen Politik.
- In der Begegnung der Menschen wird in der Regel deutlich, dass die Anliegen, Interessen und Wünsche der Menschen, auch nach Frieden und Wohlergehen, sehr nah beieinander liegen. Davon wird weiterhin für die Menschen Russlands, abseits der Politiker im Kreml, ausgegangen.
- Über die Begegnung und das Verständnis für die Menschen der anderen Kultur kann Konflikten vorgebeugt, können Vorbehalte abgebaut und Vertrauen aufgebaut werden. Feindbilder können durch persönliche Freundschaften ersetzt werden.
- Diese Tür zur Begegnung zwischen Menschen aus Jena und Menschen aus Wladimir soll auch zukünftig offen bleiben, auch wenn durch die kriegerischen Handlungen derzeit die Tür eher geschlossen scheint.
- In den vergangenen Jahren hatten die Kooperationsprojekte immer den Schwerpunkt im Austausch von Jugendlichen. Gerade hier kann und sollte in der Zukunft - wenn der russische Präsident seine Aggression beendet hat - die Begegnung junger Menschen wieder möglich werden, um Vertrauen zu schaffen und eine friedliche Zukunft zu bauen.
Entstehung der Kooperation
Schon 1992 hat unsere Partnerstadt Erlangen die Chancen gesehen, die in einer Dreiecks-Partnerschaft mit Wladimir, unter Einbeziehung von Jena liegen könnten.
Im Oktober 2008 wurde eine Kooperationsvereinbarung zwischen den Städten Wladimir und Jena unterzeichnet, die die langjährige Beziehung untermauerte und Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Sport beinhaltet.
Bereits seit 2004 gibt es regelmäßig stattfindende Kinder-und Jugendaustausche zwischen den beiden Städten, die seither hauptsächlich von der Eurowerkstatt Jena e. V. organisiert und durchgeführt werden. Eine Kooperation der Ernst-Abbe-Hochschule Jena und der State University Wladimir besteht seit 2009.
Geografie, Gesellschaft, Kultur und Bildung
Wladimir war Hauptstadt des alten Rus beziehungsweise des Großfürstentums Wladimir-Susdal und heute Zentrum der gleichnamigen Oblast Wladimir, die sich in der zentralrussischen Region, ca. 190 km nordöstlich von Moskau befindet. Durch die, 995 n.Chr. von Prinz Vladimir gegründete Stadt, fließt der Fluss Kljasma. Nördlich Wladimirs liegt das erhöhte, baumlose Gebiet Wladimir Opole und südlich das bewaldete, sumpfige Tiefland Mescherskaja. Heute ist Wladimir Heimat von rund 357.000 Einwohnern.
Die vielen Kirchen, Klöster und aus dem 11. - 18. Jahrhundert stammenden Gebäude stehen unter dem Schutz des "UNESCO Weltkulturerbes". Die historische Altstadt, auch "Altes Wladimir" genannt, macht ca. 120 ha des Stadtgebietes aus. Die neueren Bezirken nehmen eine Fläche von rund 1.200 ha ein.
Die Stadt besitzt 165 verschiedene Bildungseinrichtungen mit ca. 4000 pädagogischen Mitarbeitern. Dank wissenschaftlicher Einrichtungen, wie der Pädagogischen und der Polytechnischen Universität sowie dem Businessinstitut Wladimir und dem Institut für Finanzwesen und Management gilt die Stadt zurecht als modern und fortschrittlich. Die Staatliche Universität Wladimir beherbergt 13 Institute mit mehr als 25 000 Studenten und ist eine der größten Hochschulen in Zentralrussland. Elf Studentenwohnheime sowie elf Bildungs-und Laborgebäude bieten ideale Bedingungen für ein erfolgreiches Studium.
70 Sportsäle, 16 Fitness-Räume, 13 Schwimmbäder und 81 Sportfelder bieten vielfältige Möglichkeiten für die Wladimirer sich in ihrer Freizeit zu bewegen und fit zu halten. Darüber hinaus wird das Image der Stadt, als kulturelles, historisches und touristisches Zentrum Russlands, durch 48 kommunale und kulturelle Einrichtungen gefördert. Es gibt ein regionales Schauspielhaus, ein regionales Puppentheater, ein Abend- sowie ein Folkloretheater. Zwei Kinos und die Tanejew-Konzerthalle ergänzen das Angebot. Tanejew war ein Komponist des späten 19. Jahrhunderts und Bürger Wladimirs. In der russischen Stadt findet zu seinen Ehren aller zwei Jahre im April das Tanejew-Musikfestival statt.
Wirtschaft und Tourismus
Wladimir liegt an der Fernstraße M7 und ist ein wichtiger Teil der Ost-West-Verbindung innerhalb Russlands.
Es befindet sich 76 große und mittlere Industrieunternehmen in der Stadt sowie vier landwirtschaftliche Organisationen. Produziert werden vorrangig Nahrungsmittel, Chemikalien, Gummi- und Kunststoff sowie Computer und andere elektronische Geräte. Der wichtigste Wirtschaftszweig der Region ist der Tourismus, was bei Wladimirs großen kulturellen Angebot wenig verwundert.
Die "Weißen Monumente von Wladimir und Susdal" sind, wie bereits erwähnt, UNESCO Weltkulturerbe und Besuchermagnet für Touristen aus aller Welt. Zu den geschützten Bauwerken zählen unter anderem die Mariä-Entschlafens-Kathedrale mit Fresken des Wandermönchs Andrej Rubljow auf dem Kreml-Hügel, die Demetrius-Kirche und das Goldene Tor. Letztgenanntes war einst Bestandteil der Festungsmauer, wurde 1164 erbaut und war lange Zeit Haupteingang der Stadt. Heute ist es Wahrzeichen Wladimirs und wird zu beiden Seiten von Wällen und Türmen gestützt, die zur Erhaltung des mächtigen Bauwerkes beitragen sollen.
Weitere Sehenswürdigkeiten Wladimirs sind die Dreifaltigkeitskirche – die ein Museum für Kristall und Lackminiaturen beherbergt - der Wasserturm, das Geschichts- oder auch das Löffelmuseum. Hier wird das Besteckteil nicht nur in jeglichen Formen und Farben präsentiert, sondern auch Objekte gezeigt, die bei der Krönung der Windsors oder als Tafelbesteck im Weißen Haus zum Einsatz kamen.
Zahlreiche Restaurants der Stadt bieten traditionell russische Gerichte an, die von Fischsuppe, über Hering mit Salzkartoffeln bis zu den berühmten russischen Plinsen mit Lachs oder saurer Sahne reichen. Übernachtet werden kann in einem der 38 hotels der Stadt.
Projektauswahl
Die Kooperation zwischen Jena und Wladimir hat ihre Wurzeln in der Jugendarbeit, welche schon seit 2003 durch die Eurowerkstatt Jena e. V. verwirklicht und unserer Partnerstadt Erlangen unterstützt wird. Nach wie vor gestaltet der Verein ein vielfältiges Programm an Jugenbegegnungen, Freiwilligendiensten und Bürgertreffen, die den Austausch zwischen Jenaern und Wladimirern nachhaltig stärken.
Ein besonders spannendes Projekt ist die Mixtour, die bereits seit 2004 stattfindet und die Partnerbeziehung zwischen Jena und Wladimir nachhaltig weiterentwickeln soll. Die jungen Teilnehmer beider Städte erwerben dabei Medienkompetenzen, indem sie gemeinsam einen Film entwickeln. Sie lernen dabei, wie man eine Kamera richtig führt, was man beim Fotografieren beachten sollte und Wissen über die journalistischen Methoden zur Aufbereitung eines Films. In gemischten Gruppen beschäftigen sich die Jugendlichen mit verschiedenen Themen wie Kunst und Kultur, Geschichte oder Ökologie. Dafür werden Interviews mit Jugendgruppen gewisser Subkulturen, Mitarbeitern von Museen oder der Philharmonie, Tanzgruppen oder Mitarbeitern eines ökologischen Zentrums durchgeführt. Anschließend wird darüber abgestimmt, wie genau und wo die entstandenen Medien präsentiert werden sollen.
Die letzte Begegnung fand vom 13. - 24. April 2017 in Wladimir statt. Hier waren die acht Jugendlichen aus Jena bei russischen Gastfamilien untergebracht und erhielten Einblicke in die Kultur Russlands. Sie besuchten verschiedene Schulen, das pädagogische Institut, das Department der Kunstwissenschaften der staatlichen Universität in Sankt-Petersburg und die kulturträchtige Stadt Susdal. Zusammen mit dem Euroklub Wladimir feierten sie dessen 20 jähriges-Bestehen.
Die Eurowerkstatt ermöglicht Jugendlichen aus Jena zudem einen Europäischen Freiwilligen Dienst in Wladimir. Dabei sind die Jugendlichen in Wohnheimen der Universität untergebracht und erhalten Russischunterricht. Reisekosten werden anteilig erstattet sowie ein Taschengeld, Essensgeld und Kosten für die Unterbringung gewährleistet. Einen Eindruck eines ehemaligen Freiwilligen gibt es hier.
Gerade die Jahre 2017/2018 boten Anlass für zahlreiche Projekte zwischen den beiden Partnerstädten. Im Rahmen des Deutsch-Russischen Jahres lokaler und regionaler Partnerschaften fand beispielsweise ein Austausch von Jugendgruppen aus Wladimir und Jena unter dem Motto "Partnerschaft - das ist unsere Zukunft" statt, der vom Euroklub Wladimir, der Eurowerkstatt, der ÜAG GmbH Jena und der Stadtverwaltung Jena durchgeführt wurde.
Auch die Kooperation zwischen der Berufsfachschule für Gesundheitsfachberufe in Wladimir und dem Uniklinikum Jena findet mit Hintergrund des städtepartnerschaftlichen Austausches statt. Dabei erfolgt ein Dialog auf fachlicher und wissenschaftlicher Ebene sowie zwischen Schülern und Studenten. Diese Partnerschaft in der Pflegeausbildung soll zum fachlichen Austausch über Ausbildungsstandards in der Pflege, zu Studienreisen und gemeinsamen Forschungsprojekten dienen.
Hier geht es zu weiteren Projekten im Rahmen der Bürgertreffen sowie zu der Übersicht zu Projekten und Aktivitäten der russisch-deutschen Gruppe im Jahr 2018.