In der Rubrik „Wir beantworten Fragen von Bürgern“ widmen wir uns dieses Mal einer Frage, die uns bereits verschiedene Leser gestellt hatten. Es geht um das prozentuale Verhältnis zwischen Anliegern und der Gemeinde“ bezogen auf den Straßen(aus)baubeitrag. Hierzu geben zum Beispiel die „Anwendungshinweise für den Bereich des Straßenausbaubeitragsrechts (AnwHiSAB) anlässlich des Siebten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes vom 29. März 2011“ Auskunft, veröffentlicht im Thüringer Gesetz- und Verordnungsblatt. Hier heißt es unter Punkt 1.3.1. sinngemäß:
„Dienen Straßen nicht nur dem Vorteil der Beitragspflichtigen, sondern auch dem der Allgemeinheit, so ist in der Satzung eine Eigenbeteiligung der Gemeinde vorzusehen, wenn die Straße neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend der Allgemeinheit zugute kommt. Die Eigenbeteiligung muss die Vorteile der Allgemeinheit angemessen berücksichtigen.“
Die Stadt Jena hat drei Klassen von Straßenbaubeitrags-Straßen:
a) ANLIEGERSTRASSEN (Satzungsformulierung: Verkehrsanlagen, die von ihrer Zweckbestimmung her hauptsächlich der Inanspruchnahme durch Anliegergrundstücke dienen), b) HAUPTERSCHLIESSUNGSSTRASSEN (Satzungsformulierung: Verkehrsanlagen, die von ihrer Zweckbestimmung her sowohl gleichzeitig der Inanspruchnahme durch Anliegergrundstücke dienen, als auch den Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen aufnehmen) und c) HAUPTVERKEHRSSTRASSEN (Satzungsformulierung: Verkehrsanlagen, die von ihrer Zweckbestimmung her hauptsächlich dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr oder dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen).
In der früheren Beitragssatzung der Stadt Jena war deren prozentuales Verhältnis ausgewogen. der Anliegeranteil betrug für Anliegerstraßen 75 %, bei Haupterschließungsstraßen 50 % und bei Hauptverkehrsstraßen 25 %. In der aktuellen Satzung liegt der Anteil bei Anliegerstraßen bei 60 %, bei Hauptverkehrsstraßen bei knapp 50 % und bei den Hauptverkehrsadern der Stadt bei etwa 35 %. Die letztgenannten Prozentwerte waren in Verhandlungen mit dem Thüringer Landesverwaltungsamt in Weimar – der Rechts- und Fachaufsichtsbehörde der Stadt Jena – als Mindestprozente verhandelt worden, die nicht unterschritten werden durften. Unter anderem argumentierte das Landesverwaltungsamt (auch unter Hinweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung des OVG Lüneburg vom 19.03.2004, Az.: 9 ME 342/02), dass der Gemeindeanteil bei Anliegerstraßen nach dem sog. „beitragsrechtlichen Vorteilsprinzip“ (siehe weiter unten) einen Wert von 50 % so gut wie nie übersteigen dürfe.
Der Lüneburger Senat hatte zur Einstufung von Straßen u.a. entschieden, dass ein Teil des beim Straßenausbau entstandenen Aufwands nicht den Anliegern auferlegt werden darf, sondern von der Gemeinde getragen werden müsse. Für eine so orientierte Beurteilung sei von ausschlaggebender Bedeutung, welcher Verkehr zu den vom Straßenausbau bevorteilten Anlieger- und Hinterliegergrundstücken hinführe bzw. von ihnen ausgehe und welchen Anteil dieser sog. Ziel- und Quellverkehr zu und von den bevorteilten Grundstücken am Gesamtverkehrsaufkommen auf der jeweiligen Straße ausmacht. Bei der Anwendung dieses Maßstabs hatte der Senat allerdings eine typisierende Betrachtungsweise zugelassen, die zwar die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse zugrunde legen muss, diese aber nur anhand von Erfahrungswerten zu ermitteln brauche.
Zum Vorteilsprinzip: Der Gemeindeanteil / städt. Anteil muss stets den Vorteil der Allgemeinheit widerspiegeln. Dient eine Straße vor allem den Anliegern, muss dies im Gefüge „Anteil der Anlieger und Anteil der Stadt Jena“ erkennbar sein, was z.B. ein Gemeindeanteil von 60 % nicht repräsentieren würde. Dient sie gleichermaßen den Anliegern wie der Allgemeinheit ist der Gemeindeanteil um die 50 % festzusetzen und bei den Hauptverkehrsadern darf er auf bis zu 80 % steigen. In jüngerer Vergangenheit u.a. wieder so bestätigt vom OVG Magdeburg am 08.12.2009 (4 L 159/09), vom OVG Koblenz am 16.01.2007 (6 A 11315/06) und vom OVG Schleswig am 26.04.2006 (2 KN 7/05).
Abschließend noch zu einer ganz anderen Frage. Ein Nutzer unseres Internetblogs fragte mahrfach an „Warum muss eigentlich niemand in der Löbstedter Straße Beiträge bezahlen?“. Hier geht es – unabhängig von der konkret genannten Straße – um das Thema, wer grundsätzlich Beitragspflichtiger ist und wer nicht. Zwar sind alle Menschen vor dem (Grund)Gesetz gleich, jedoch gibt es gesetzliche Vorgaben, die hierbei zu beachten sind.
Nach den Regelungen von § 154 des Baugesetzbuches (= Ausgleichsbetrag des Eigentümers) hat der Eigentümer „eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks (…) zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks entspricht. Miteigentümer haften als Gesamtschuldner (…). Werden im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 BauGB hergestellt, erweitert oder verbessert, sind Vorschriften über die Erhebung von Beiträgen für diese Maßnahmen auf Grundstücke im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nicht anzuwenden.“
Damit erklärt sich, weshalb Grundstückseigentümer im Falle der Löbstedter Straße KEINE Beiträge zu zahlenhaben, sofern ihre Grundstücke im Sanierungsgebiet Unteraue liegen; liegen die betreffenden Grundstücke dagegen nicht in dem von der Stadt Jena förmlich festgelegten Gebiet, sind später möglicherweise Erschließungs- und/oder Straßenbaubeiträge zu entrichten.