Im vergangenen Stadtentwicklungsausschuss der Stadt Jena konnte am Beispiel der Wiesenstraße erläutert werden, wie sich manchmal Straßenverläufe in Jena über die Jahrzehnte entwickelt haben. Noch bevor es in Jena zum Bau des Damenviertels kam, führte die Saalbahnhofstraße Richtung Saale zum bezeichneten Jenaer Bahnhof, der seinerzeit der Hauptbahnhof unserer Stadt war. Dort wo es heute eine Unterführung für Fußgänger und Radfahrer gibt, befand sich Mitte der 1890er Jahre ein Bahnübergang an der Löbstedter Straße.
In direkter Verlängerung der Saalbahnhofstraße führt die Ur-Wiesenstraße (oben lila gekennzeichnet mit Nr. 1) zu den ausgedehnten Löbstedter Wiesen an der Saale mit Blick auf den Jenzig. In der Löbstedter Straße in Richtung des alten Gaswerks und an beiden Seiten der ersten Wiesenstraße entstanden zwischen 1890 und 1897 Wohnhäuser mit Mietwohnungen für Bahnmitarbeiter, Handwerker und Taglöhner., wie das alte Adressbuch der Stadt Jena ausweist. Erst sieben Jahrzehnte später wurde die Wiesenstraße als Straße fortgesetzt.
Ender der 1960er Jahre wurde für den Standort der KONSUM-Großbäckerei in Jena-zwätzen als Seitenabzweig der Brückenstraße eine betrieblich-öffentliche Industriestraße in Plattenbauweise geplant und 1972 fertiggestellt – auch sie trug den Namen Wiesenstraße (oben orange gekennzeichnet mit der Nummer 2). Zwei Jahrzehnte später fiel in Jena der Startschuss zum ehrgeizigsten Straßenneubauprojekt nach der Wende: der Bau der „neuen“ Wiesenstraße von der Brückenstraße bis zur „alten“ Wiesenstraße von 1890 – die anfangs „Industrieerschließungsstraße Nord“ genannt und in insgesamt drei Bauabschnitten hergestellt wurde (oben mit den Nummern 3a / 3b / 3c grün gekennzeichnet). Zwischen 1992 und 1994 wurde eine Strecke von mehr als drei Kilometern gebaut, vorbei am Gewerbegebiet „Saalepark Jena“ und dem Standort der geplanten Wiesenbrücke von Wenigenjena über die Saale zur Anbindung an den Löbstedter Straße.
Hieran schloss sich zeitlich direkt der Bau der Wiesenstraße in Richtung Norden an, am neuen Gewerbegebiet zwätzen-Ost (oben grün gekennzeichnet mit der Nummer 4). Für 1998 / 2000 war schließlich der Durchstich der Wiesenstraße zur „Schillerpassage“ vorgesehen, zu dem es aber erst mehr als zehn Jahre später kommen sollte, da der hierfür notwendige Bebauungsplan zwar fertig erstellt war, aber aufgrund von Umweltrichtlinien neu gefasst und neu beschlossen werden musste. 2014 konnte der Durchstich beendet werden (oben orange gekennzeichnet mit der Nummer 5), dem auch Wohnhäuser in der alten Wiesenstraße zum Opfer fielen. Nun soll der Schlussteil der Wiesenstraße bis zur Angerkreuzung (früher Löbstedter Straße betitelt) grundhaft erneuert werden (oben blau gekennzeichnet mit der Nummer 6).
Stimmt der Stadtrat im Februar dem Projekt zu, wäre dies das vorläufige Ende des Straßenbaus in der Wiesenstraße – vorläufig deshalb, weil der Kommunalservice Jena natürlich die Nordverlängerung der Wiesenstraße über die Bahnstrecke hinweg in Richtung Porstendorf weiter als kommendes Großprojekt auf der Agenda hat. Soweit uns als Abteilung Beiträge bekannt, verschiebt sich das Projekt derzeit immer noch wegen der Hochwasserschutzplanung des Freistaats Thüringen, die genau in diesem Bereich schwieriger zu sein scheint, als ursprünglich angenommen./ RS