Die rot-rot-grüne Regierungskoalition in Thüringen bereitet, mit Unterstützung der Landes-CDU, die Abschaffung der Straßenausbaubeitragserhebung in Freistaat vor. Noch herrscht bei allem gemeinsamen Willen Unklarheit darüber, wann dies geschehen soll. DIE LINKE im Erfurter Landtag fordert den 01. Januar 2019 als Stichtag, SPD und Grüne tendieren eher zum 01. Januar 2020.
Anfang der Woche fand in Jena eine Podiumsdiskussion zum Thema der geplanten Abschaffung der Straßenausbaubeiträge statt, zu der die Landtagsabgeordneten Dr. Gudrun Lukin und Torsten Wolf (beide: DIE LINKE) eingeladen hatten. Hierbei skizzierte Frank Kuschel als kommunalpolitischer Sprecher der Linken-Landtagsfraktion den Weg in Richtung „Abschaffung“, warnte zugleich aber vor einem Scheitern. Kuschel sagte unter anderem:
„Initiator dieser Diskussion war der Gemeinde- und Städtebund, denn der hat gesagt, wenn am 01.01.2019 die Gemeinden auf Beiträge verzichten können, vermuten sie, dass Bürgerinnen und Bürger zu viel Druck auf die Bürgermeister machen würden.“
Deshalb, so Kuschel, habe der GStB-Thüringen seinen Widerstand aufgegeben und mit der rot-rot-grünen Landesregierung Gespräche über eine Abschaffung der Beitragserhebung begonnen. Dann habe der Gemeinde- und Städtebund fünf Bedingungen genannt, darunter die Erstattung der finanziellen Ausfälle der Kommunen bei einer Abschaffung der im Thüringer Kommunalabgabengesetz geregelten Straßenausbaubeitragserhebung.
„Von 1992 bis 2017 haben die Thüringer Gemeinden durchschnittlich 15 Millionen Euro an Straßenausbaubeiträgen vereinnahmt. Jetzt bekommen sie (Anm.: vom Freistaat) 25 Millionen als jährliche Erstattung.“
Weiter sagte der kommunalpolitische Sprecher der Thüringer Landtagsfraktion der Partei DIE LINKE am 24.09.2018 in Jena, es gebe dennoch ein größeres Problem, das geklärt werden muss, und dies sei das Verfahren der Erstattung an die Städte und Gemeinden. Denn, nachdem die geplante Gesetzesänderung weit voran gekommen sei, kämen jetzt die Kommunen und diese würden jedes Maß an Vernunft vermissen lassen. Kuschel:
„Jetzt zu meinen, wir erstatten auch noch jeden Bleistift und sie sind völlig raus aus der Verantwortung … also irgendwo hört es auf. Ich sage: Kommunale Straßen sind Gemeindestraßen – das ist Eure Aufgabe. Schluss, aus! Wir finanzieren das mit, ok, aber alles andere nicht.“
Es würden jetzt Forderungen gestellt, die seien jenseits von Gut und Böse, berichtete Frank Kuschel im F-Haus. Jeden Tag kämen Bürgermeister zu ihm und würden erklären „Schafft das ab“, doch dann würden absurde finanzielle Forderungen gestellt. So erkläre der Thüringer Gemeinde- und Städtebund, die möglichen 25 Millionen Euro jährlich seien nicht ausreichend und fordere 600 Millionen Euro pro Jahr. O-Ton Kuschel:
„Auf dieses Spiel lässt sich keine Finanzministerin in Thüringen ein – zu Recht. Und wenn wir uns da nicht einigen, dann scheitert das. Aber ich werde dann durchs Land reisen und sagen, an wem es scheitert. Nicht am Willen der Landespolitik, sondern es scheitert an den überzogenen kommunalen Forderungen.“
Man habe eine gute Kompromisslösung gehabt, aber in den letzten Tagen reisten „irgendwelche Leute durch den Freistaat
und hetzen Bürgermeister auf und sagen: ‚Stellt mal überzogene Forderungen. Das Land ist so unter Druck, die werden das schon machen.‘ – Ich kann sagen: Wir werden es nicht machen. (…) Dann wird das scheitern!“
Hinweis: Den Originalvortrag von Frank Kuschel vom 24.09.2018 (Teil 1) finden Sie im Anschluss in einer ungekürzten Länge von 17:45 Minuten als Podcast zum Nachhören mit freundlicher Genehmigung von ZONO Radio Jena (bitte die Kachel anklicken). / RS
Ich bedaure sehr, dass selbst Linke Politiker nicht bemerkt haben, dass die Diskussion zur Abschaffung der SAB seit 20 Jahren von der Bürgerallianz Thüringen mit deren Bürgerinitiativen geführt wird. Der Gemeinde- und Städtebund ist nicht der „Vater des Erfolges“. Der GStB hat sich vollkommen überraschend im Sommer 2018 unserer Forderung angeschlossen. Bis dahin war der „Bürgermeister-Club“ generell für deren Erhebung. Es war der Unmut der betroffenen Grundstückseigentümer und die vielen Aktionen unserer Kollegen in Thüringen und anderen Bundesländern, die zu dem Umdenken geführt haben. Dennoch begrüßen wir natürlich den Sinneswandel. Wir werden uns weiter in die aktuelle Diskussion einmischen, auch wenn sich jetzt viele mit fremden Federn schmücken wollen. Mit der Abschaffung der SAB muss vor allem auch die Frage der Rückwirkung geklärt werden. Alle begonnenden Baumaßnahmen, also wo noch keine sachliche Beitragspflicht entstanden ist, sollten nicht beitragspflichtig werden. Weiterhin sollten die Verjährungsfristen auf 4 Jahre begrenzt werden und alle im ThürKAG und in der ThürKO notwendigen Änderungen mit beschlossen werden. Man kann keinem Bürger erklären, warum 2018 SAB für Baumaßnahmen erhoben werden, welche vor 20 Jahren abgeschlossen wurden. Die Gemeinden haben auch keine Einnahmeausfälle dafür, denn dies wurde bereits refinanziert. Eine Rückzahlung aller gezahlten SAB wird schwieriger. Uns geht es vor allem darum, dass unsere Kinder und Enkelkinder nicht mehr mit derartigen Zwangsbeiträgen belastet werden. Wir werden keine hundertprozentige Gerechtigkeit herstellen. Das hat man seit 1991 versäumt zu machen. Eine Ungerechtigkeit kann man nicht mit einer neuen Ungerechtigkeit beenden. Das Beispiel, dass das letzte Jahr im Kindergarten beitragsfrei ist, macht deutlich, dass auch dort keine Gerechtigkeit für alle herzustellen ist. Nun ist es an der Zeit den hoch dotierten Beamten im Innen- und Justizministerium einen klaren Auftrag zu erteilen, was wir wollen. Weitere Gutachten kosten unnötig Geld und Zeit. Die zuständigen Beamten müssen uns ein Gesetz vorlegen, welches hinterher nicht erneut kritisiert wird. Wir werden den Thüringern 2019 eine Wahlempfehlung aussprechen, wen sie nicht wählen sollen. Das hängt nun auch von der kommenden Entwicklung ab. Wichtig ist jetzt vor allem ein Moratorium der verantwotlichen Landespolitik, welches die Erhebung von SAB bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes aussetzt. Dabei wollen wir nicht hören, dass es nicht geht. Beim Thema Abwasser hat 2004/2005 die damalige CDU Landesregierung unter Althaus ebenfalls ein Moratorium verabschiedet.