Anja Philipp und Antje Taubert geben beide Klarinettenunterricht an der Musik- und Kunstschule Jena. Wir haben mit ihnen über ihre Arbeit, Erwartungen und Ziele gesprochen.
Frau Philipp, Sie sind neu an der Musik- und Kunstschule Jena, auch in Jena selbst, haben zuvor in Leipzig gelebt und gearbeitet. Was fällt Ihnen als erstes hier in Jena ins Auge, Vorteile oder auch Nachteile gegenüber Leipzig? Besonders interessiert uns natürlich Ihr Erstbefund zu JenaKultur und der hiesigen Musik- und Kunstschule!
Anja Philipp: Jena ist eine wundervoll gelegene, pulsierende Stadt, die mich mit offenen Armen empfangen hat. Als Ur-Leipzigerin genieße ich die hier oft viel kürzeren Wege, die tollen Naturverlockungen rund um Jena, die Ruhe (im Vergleich zu Leipzig) selbst mitten in der Stadt, auch sehr einfache und schnelle Behördengangmöglichkeiten, was mein An- und Ummelden sehr einfach gemacht hat, und in vielen Dingen eine Direktheit, Freundlichkeit und Offenheit, die mir persönlich sehr gut tut.
An der Musik- und Kunstschule machte mir das Arbeiten von Anfang an sehr viel Spaß! Das liegt m. E. an der Kompetenz des kompletten Verwaltungsteams, im Besonderen natürlich der Schulleiterin Yvonne Krüger, sowie an einem freundlichen Kollegen*innenteam und natürlich an der Offenheit der Schüler*innen und ihrer Eltern.
Zurzeit pendele ich noch berufsbedingt zwischen Leipzig und Jena, habe wöchentlich den unmittelbaren Vergleich der zwei Musikschulen und staune, wie die coronakrise in beiden Institutionen sehr unterschiedlich angegangen und bearbeitet wird.
Der Jenaer Weg ist mir da ausnahmslos angenehmer, nachvollziehbarer und besser kommuniziert, was das Arbeiten in dieser Sondersituation sehr erleichtert.
Frau Taubert, Sie waren bisher als Honorarkraft an der MKS tätig. Schildern Sie doch mal bitte, was genau den Unterschied zwischen „festangestellt“ und „auf Honorarbasis arbeiten“ ausmacht. Es gab ja dazu viele Verlautbarungen in der letzten Zeit, aber ich denke, nicht jede*r Außenstehende konnte daraus entnehmen, wo wirklich die Crux liegt.
Antje Taubert: Wo die Crux liegt, das bewertet jeder unterschiedlich, je nach Situation, in der er sich befindet. Im Frühjahr drang an die Öffentlichkeit, wie unterschiedlich die Beschäftigungsverhältnisse an der MKS sind. Im Zuge der Debatte um Unterrichtsverbot und fehlender Satzung für Onlineunterricht in der Entgeltordnung war es für die Eltern und Kunden der Musikschule schwer nachvollziehbar, wieso gleiche Arbeit (z. B. Einzelunterricht online mit dem Schüler) unterschiedlich entlohnt und behandelt wurde.
Ich selbst hatte als Honorarkraft im Frühjahr intensiv Onlineunterricht angeboten und gehofft, dass schnell eine Nachbesserung in der Entgeltordnung geschaffen werden kann. [1]
Plötzlich konnte es nämlich passieren, dass eine Familie für ein Kind einen Extra-Privatvertrag für Onlineunterricht mit mir ausmacht, für das Geschwisterkind aber nichts zusätzlich bezahlen musste, weil es beim festangestellten Kollegen Unterricht hat, der (weiter)arbeiten durfte. Für mich persönlich bedeutet festangestellt zu sein eine größere Verantwortung im Sinne der Musikschule: Entwicklung von Ensembles, einer höhere Anzahl von Schülern und Unterbreitung weiterer Angebote. Natürlich erweitern sich aber auch die Möglichkeiten, Ideen umzusetzen.
Persönlich: Wirtschaftlich gesehen kann ich jetzt ganz anders und vor allem mit mehr Sicherheit planen.
Als Honorarkraft wird die einzelne geleistete Stunde abgerechnet, und sämtliche sozialversicherungspflichtigen Beiträge sind eben selbst abzuführen. Da wirkt es sich unmittelbar aus, wenn der Unterricht nicht stattfinden oder ein Schüler nicht kommen kann: die Einnahmen unterliegen massiven Schwankungen. Investitionen (Notenmaterial, Technik zur Durchführung von Onlineunterricht, Weiterbildungen) für den Unterricht sind so enorm und werden in der Regel nicht erstattet. Das geht nur mit sehr viel Leidenschaft zur Musik und zum Unterrichten.
Für Honorarkräfte ist die freiberufliche Tätigkeit hingegen vor allem terminlich leichter mit dem Konzertbetrieb vereinbar. Hürden für Freiberufler, wie z.B. einen Kredit zu bekommen ohne entsprechende Verdienstbescheinigung, gehören zur Kehrseite.
Ich freue mich, durch die Einstellung eine Chance bekommen zu haben, mich noch einmal anders in der Musikschule mit einzubringen!
Nun teilen Sie sich beide eine volle Stelle für Klarinettenunterricht. Sie treten dabei in große Fußstapfen sozusagen: Herr Fritz Gottfried war eine Instanz.
Was haben Sie sich für Ihre Arbeit vorgenommen?
(vielleicht besser: Was bringen Sie mit? Können Sie sich kurz vorstellen?)
Antje Taubert: Ich kann viele neue Schüler in meiner Klasse begrüßen. Sie auf ihrem Weg mit der Klarinette oder dem Saxophon zu begleiten, ist eine wundervolle Aufgabe. Mein Ziel ist es, die stilistische Vielfalt auf dem Instrument aufzuzeigen, die Schüler auf die Ensembles der Musikschule vorzubereiten und vielfältige Kammermusik anzubieten. Bereits in diesem Schuljahr konnten wir z.B. einen erfolgreichen Kammermusiktag zusammen mit Klavierbegleitung und gemischten Besetzungen durchführen.
Im Unterricht schauen der Schüler und ich, was zu ihm passt und ihm Freude bereitet. Dabei fließen in den Unterricht etliche meiner Erfahrungen aus der Konzerttätigkeit mit Ensembles, der Arbeit an Theatern oder mit Tänzern ein: Seien es Orchesterspiel, Konzertreisen oder Studioaufnahmen in Istanbul bis hin zum Spielen beim Box-Wettkampf – da gibt es einiges an Eindrücken zu vermitteln. Experimentieren mit der Klarinette macht wahnsinnig viel Spaß. Deswegen möchte ich die Schüler gerne animieren, das zu finden, was sie ausmacht.
Anja Philipp: Ich habe zu großen Teilen die Schüler*innen von Fritz Gottfried in meiner Klasse aufgefangen. Sie hatten über längere Zeit coronabedingt keinen Unterricht und waren durchweg dankbar, wieder unter fachkundiger Anleitung an der MKS musizieren zu können.
Ich habe dabei den kleinen Vorteil, einen kurzen Teil meiner Ausbildung vor Jahren selber bei ihm gehabt zu haben und kann somit gedanklich an Gottfrieds Unterricht aus eigenem Erleben anknüpfen und diesen Weg nun mit neuen Ideen aus anderen Etappen meiner Ausbildung bzw. meiner schon recht langen Unterrichtserfahrung, es sind bereits 26 Jahre, davon 12 in Festanstellung für Klarinette an der Leipziger Musikschule, fortsetzen und ganz eigene Spuren und Wege zur und mit der Klarinette bei den Lernenden formen. Dabei ist mir weiterhin sehr wichtig, jeden Schüler/jede Schülerin nach besten Möglichkeiten zu fordern und zu fördern, die Balance zwischen Breitenausbildung und Spitzenförderung zu wahren und immer wieder neu auszuloten.
Ich hoffe nun auch hier in Jena viele erfolgreiche Regional-, Landes und Bundeswettbewerbsteilnehmer auszubilden, eine gute und fundierte Studienvorbereitung zu gewährleisten und zeitgleich viele ambitionierte und begeisterte Laienmusiker auszubilden. Ein wichtiger Faktor ist für mich dabei die musizierende Gemeinschaft, intensive Kammermusik- und Orchesterprojekte, die gemeinsame Fortbildung durch Kurse bei Kolleg*innen und immer wieder der Spaß am Musizieren, der Genuss sowie das Staunen, über sich hinauszuwachsen und immer wieder neue Möglichkeiten der nonverbalen Kommunikation durch Musik zu entdecken und auszuprobieren.
Ich freue mich, auch meine langjährigen Erfahrungen beim Aufbau und in der Leitung einer Bläserklasse hier in meine Arbeit mit einfließen lassen zu dürfen.
Weiterhin ist mir die Fortführung und Erweiterung des bestehenden Blasorchesters sehr wichtig. Leider macht es uns corona gerade in der bläserischen Orchesterarbeit nicht leicht, ich denke aber, mit Kreativität haben Katharina Hoffmann und ich als Orchesterleitungsteam gerade einen gut gangbaren Weg gefunden, um das Orchester auch in kleineren Gruppen weiter zu führen. Das war uns eine Herzensangelegenheit.
Wie wird Ihre Aufgabenteilung genau aussehen? Glauben Sie, dass Sie ein gutes Team werden oder sind?
Antje Taubert: Wir kennen unsere Qualitäten und ergänzen uns sehr gut darin. Gemeinsam mit dem Kollegen Klaus Wegener (Klarinette und Saxophon) können wir eine große stilistische Bandbreite bieten, und die Schüler finden garantiert den Lehrer, der zu ihnen passt.
Anja Philipp: Ich denke ebenfalls, dass es uns, Antje Taubert, Klaus Wegener und mir, in unserer Unterschiedlichkeit unserer musikalischen „Steckenpferde“ gelingt, für jede*n Schüler*in genau den passenden Ausbildungsweg und Pädagogen zu finden. Denn es gilt ja nicht nur, herauszufinden, welches Instrument zum Lernenden passt, sondern auch die Vertrauensperson zu finden, die dann gemeinsam den besten Weg der musikalischen Ausbildung mitgeht.
Wichtig ist uns, kollegial gut im Kontakt zu sein und Ideen und Projekte gemeinsam zu planen und anzugehen, denn uns eint die Liebe zur Musik und eine pädagogische Ader. Bisher gelingt uns das, finde ich, sehr gut.
Was wünschen Sie sich für Ihre Arbeit, für die MKS, für sich selber und Ihre Schüler*innen?
Antje Taubert: Aktuell freue ich mich zu hören, dass wir als Bildungseinrichtung weiterhin mit ALLEN Kollegen weiter unterrichten können. Mein Wunsch wäre, dass es die Situation weiterhin zulässt. Für meine Schüler erhoffe ich mir, möglichst viel Kammermusik und musikalische Projekte in all ihren Facetten anbieten zu können.
Anja Philipp: Ich wünsche mir, dass es mir in einem überschaubaren Zeitraum gelingt, wie in Leipzig, ein sehr hohes Vertrauensverhältnis zu meiner Klasse und den Eltern aufzubauen, mich im Team der Musikschule immer besser einzubringen, gute Ideen aus meiner Tätigkeit in Leipzig vielleicht auch hier zu etablieren und neue Impulse der Thüringer Musiklandschaft aufzusaugen und mitzuprägen.
Die Leistungsdichte in meiner Klasse soll sich weiter erhöhen und der Spaß des Musizierens dabei wachsen. Ich hoffe, in nächster Zeit auch viele schöne Konzerterlebnisse und Vorspielmöglichkeiten anbieten zu können, um so die Schönheit und Variabilität von Musik vielen Menschen näher bringen zu können.
Welche Rolle sollte dabei der Eigenbetrieb JenaKultur bekleiden?
Antje Taubert: Aktuell besonders gefragt wäre die Ermöglichung der motivierenden Ensemblearbeit durch Vermittlung von Räumen in genügender Größe. Wünschenswert wäre die Auflösung der unterschiedlichen Anstellungsverhältnisse durch mehr Festanstellungen, wo das gewünscht und nötig ist.
Anja Philipp: Ich würde mich freuen, wenn wir weiter offenen Ohres und gemeinsam viele unterschiedliche Wege planen und gehen, um Jena und die Musikschule kulturell immer weiter voranzubringen, Musik in der Stadt und im Herzen aller Musizierenden und Musikliebhaber zu etablieren und vielleicht auch bisher unentdeckte musikalische Liebeleien „herauskitzeln“.
Wir wünschen von Herzen viel Erfolg in jeglicher Hinsicht.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit den Angeboten der Musik- und Kunstschule gesammelt – auch während der corona-Epidemie? Wir freuen uns wie immer über Anregungen und Rückmeldungen!
[1] Entgeltordnungen benötigen die Zustimmung des Stadtrats mit all den vorgeschalteten Gremienketten. Deshalb waren die Änderungen leider nicht von Jetzt auf Gleich in Kraft zu setzen.