Oder: 100 Jahre Diskussion rund um ein Kunsthaus in Jena und kein Ende in Sicht?!
Einen Kunstverein gab es in Jena bereits vor mehr als 100 Jahren; ganz genau wurde er am 20. Dezember 1903 gegründet. Erster prominenter Vorsitzender war übrigens Eduard Rosenthal. Im Umfeld einer aufblühenden Wissenschaft und Technik wuchs auch der Beschäftigung mit Kunst eine immer prominentere Rolle zu. Künstlerpersönlichkeiten mit klangvollen Namen wie beispielsweise Walter Dexel und Ernst Ludwig Kirchner trafen auf potente Förderer und Mäzene. 1904 wurde dann Botho Graef als Professor für Archäologie und Kunstgeschichte an die Jenaer Universität berufen. Er wurde zum wichtigen Mentor des Kunstvereins, nicht zuletzt, indem er dessen Ausstellungen in der Zeitung besprach, Eröffnungsvorträge hielt, Abhandlungen verfasste und sich auch für damals noch umstrittene Künstler engagierte. Jena wurde so ohne Übertreibung zu einem Mekka der modernen Kunst, so dass im Umfeld hochkarätiger Ausstellungen schon damals der Wunsch nach einem Kunsthaus entstand. Die Nationalsozialisten setzen all diesen Bemühungen und dem Wirken des Vereins ein abruptes Ende, und nur ein Teil des einstigen Bestandes befindet sich heute in der Kunstsammlung Jena.
Dem erst 1990 neu gegründeten Jenaer Kunstverein, der sich sehr bewusst in die Tradition des Vorgängers stellte, fehlte das Geld für eine neue Sammlung. Ausstellungen hingegen konnten in den vergangenen 30 Jahren zahlreich gezeigt werden. „vielfalt!“ hieß das Motto des Jubiläumsjahres 2020 und die Ausstellung zum Jubiläum des Jenaer Kunstvereins. Der 120 Seiten umfassende Katalog blickt nicht nur auf das problematische und dennoch sehr erfolgreiche Ausstellungsjahr 2020 des Jenaer Kunstvereins zurück, sondern auch auf die vergangenen 30 Jahre seines Bestehens seit seiner Wiedergründung.
Die Rückschau auf die letzten 30 Jahre des Vereins ist auch ein Blick in die deutsche Geschichte und in die Stadtgeschichte Jenas. Im Katalog werden nicht nur die über 150 Plakate der seit 1990 durchgeführten Ausstellungen präsentiert, sondern auch die Orte gezeigt, an denen der Kunstverein aktiv war und noch immer ist. Der literarische Rundgang durch die Stadt enthält auch einen längeren, zusammenfassenden Exkurs zu den anstehenden millionenschweren Bauvorhaben in Jena im Kontext zu dem seit 100 Jahren in Jena bestehenden Wunsch nach einem Kunsthaus. Der literarische Rundgang ist nicht nur im Katalog abgedruckt sondern auch als interaktive Karte auf der Internetpräsenz des Jenaer Kunstvereins nutzbar. Die digitale Plakatsammlung finden sie dort ebenfalls.
Trotz aller Planungsschwierigkeiten wird der größtenteils ehrenamtlich tätige Kunstverein ab Mai 2021 Ausstellungen realisieren. Ein Fokus liegt hierbei auf Ausstellungen im Außenbereich. Im Botanischen Garten und im Frommannschen Garten werden die Skulpturenausstellungen zu sehen sein. Ab 21. Mai öffnet die Galerie des Jenaer Kunstvereins im Stadtspeicher mit einer Ausstellung von Werken des Dresdner Künstlers Enrico Sutter. Alle Ausstellungen werden, wie schon im letzten Jahr, digital begleitet und vermittelt über die sozialen Medien und die Internetseite des Vereins.
Ein Kunsthaus für Jena!?
Die Idee vom Kunsthaus in Jena ist also nicht neu. Seit ein paar Jahren nimmt die Idee neue Formen an. Mit der Gründung des Vereins „Ein KUNSTHAUS für JENA e.V.“ gibt es konkrete Pläne und aktive Ehrenamtliche, die sich für die Realisierung eines Kunsthauses auf dem neuen Eichplatz einsetzen.
„Ein Kunsthaus als Ort vielseitiger Kultur und des gesellschaftlichen Austausches im Zentrum Jenas ist unbedingt notwendig. Die Stadt Jena steht vor großen Veränderungen. Uni-Campus, der zeiss-High-Tech-Standort und nicht zuletzt das Eichplatz-Areal werden ein neues Stadtbild prägen. Es besteht die dringende Gefahr, dass die Innenstadt durch reine wirtschaftliche und wissenschaftliche Funktionalität keine Aufenthaltsqualitäten und kein nachhaltiges stadtcharakteristisches Profil entwickeln kann.
Ein Kunsthaus dient zum einen als überregional ausstrahlende Repräsentanz einer selbstbewussten Stadtgesellschaft, zum anderen als Forum, das in die Stadt hineinwirkt und identitätsstiftend und diskursanregend eine lebendige städtische Kultur ermöglicht. Dazu bedarf es einer breiten Allianz aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Bürgerschaft.“Robert Sorg, Vorsitzender des Jenaer Kunstvereins
Die Anfrage um ein Zitat beantwortet Erik Stephan, Kurator der Kunstsammlung Jena und Direktor der Städtischen Museen Jena, mit einer Verlautbarung von Botho Graef.
„Denn der wahre Kunstfreund begnügt sich nicht mit erprobten Dingen, die oftmals auch schon im Erstarren und Verblassen begriffen sind, er will an dem lebendigen Leben der Kunst selbst teilnehmen. Gleichviel, ob er mitgehen will oder nicht, gleichviel, ob seine Instinkte umschmeichelt oder verletzt werden, er will doch vor allem sehen und miterleben, was die Jugend treibt, und womöglich selbst die fruchtbaren Keime in ihrem Schaffen aufspüren. Welche andere Kleinstadt könnte sich wohl rühmen, daß man soviel unmittelbare Anschauung der lebenden Kunst in ihr gewinnen kann, wie in Jena. … Jetzt fehlt uns nur noch eines, eine moderne Galerie. … Sollten wirklich dafür die Mittel nicht aufgebracht werden können?“
Botho Graef: Kunst-Ausstellung, in: Jenaische Zeitung, 20.07.1911, Nr. 168
„Das schrieb Botho Graef […]“, so Erik Stephan weiter „[…],der Jena zur einer Urheimat des deutschen Expressionismus machte und an der Jenaer Universität Klassische Archäologie und Neuere Kunstgeschichte lehrte, schon vor mehr als 100 Jahren in der Jenaischen Zeitung. Inzwischen ist die Jenaer Sammlung auf rund 8.000 Werke angewachsen und das Vermächtnis Botho Gaefs wurde stets beherzigt: Es ist eine Sammlung, die aus der Gegenwart entstanden ist. Nur eines ist bis heute leider gleich: Der Sammlung fehlt der Raum!“
Und wenn Sie noch mehr zum Thema Kunst in Jena erfahren möchten, hat der MDR über das 30jährige Bestehen des „neuen“ Jenaer Kunstvereins berichtet. Hören Sie mal rein! Daneben freuen wir uns wie immer über Ihre Fragen, Anregungen und Kritik!
Das Kunsthaus Jena würde perfekt in die alte Schwimmhalle in Neu Lobeda passen.
Lieber Herr Hermes,
zum möglichen Standort eines Kunsthauses laufen ja bereits einige Untersuchungen. Ob dabei schon jemand die Schwimmhalle in Lobeda im Blick hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir können die Idee aber gern weitergeben.
Danke für Ihre Anregung.
Mit freundlichen Grüßen
Das JenaKulturBlog-Redaktionsteam
Schade, dass heutzutage Meinungsverschiedenheiten nicht immer sachlich ausgetragen werden.
Was die beiden Werkleiter Jonas Zipf und Carsten Müller nicht leisten, sieht man beispielhaft am nicht vorhandenem Kunsthaus und es gäbe noch viel mehr Beispiele für ihre schlechte Arbeit!
Nur schade, dass es in Jena zwei so kulturlose Werkleiter gibt, nämlich Jonas Zipf und Carsten Müller.