News // 23.07.2022
Ein Interview mit Carsten Müller
Die ersten Berührungspunkte mit der kulturarena hatte Carsten Müller, heute stellvertretender Werkleiter von Jenakultur, in den 1990er Jahren durch gelegentliche private Besuche und seine Tätigkeit als Künstler-Security, u.a. für Sinead O´Connor. Im Jahr 2000 stieß er als Praktikant fest zum Team, war später neben seinem Studium vier Jahre Bühnenleiter und baute nach Jahren als freier Projektleiter ab 2008 den Veranstaltungsbereich des jungen Eigenbetriebs Jenakultur auf. 2015 erfolgte schließlich der Wechsel in die Werkleitung.
Heute startet mit der Ouvertüre die kulturarena, wie ist die Stimmungslage?
Wir sind im Moment total froh, dass wir wieder produzieren können. Aber wir merken bei vielen Dingen, wie heftig der Spagat zwischen Vorfreude auf den Start, Vorfreude auf das Publikum und den Herausforderungen der Realisierung ist. Wir haben mit Personalproblemen zu tun, was die Gewerke für eine solche Produktion betrifft. Wir gehen, glaube ich, dieses Jahr in eine kulturarena mit einem sehr zufriedenen Auge, weil die Verkäufe doch sehr gut sind, besonders im Vergleich zu anderen Konzertveranstaltungen. Auf der anderen Seite gibt es eine große Anspannung, weil wir auf einem Platz sind, der immer noch eine Baustelle in der Nachbarschaft hat und wir immer noch in einer Pandemie veranstalten, die ungeplante Konzertabsagen verursachen kann. Natürlich sind wir sehr froh, diesen Platz zu haben, denn uns hätten bei Alternativstandorten im Paradies die Kosten erdrückt.
2020 war ein spezielles Jahr. Erst wurde beschlossen, dass die kulturarena im Paradies stattfindet. Stand jemals zur Debatte, sie ausfallen zu lassen?
Nein, weil sich niemand vor 2020 vorstellen konnte, dass die kulturarena mal ausfallen würde. Wir waren erst einmal mit dem Ort im Paradies zufrieden, so wie er sich anfühlte. Das ist wichtig, dass man sich an einem Ort wohlfühlt, an dem man veranstalten will. Aber mit Blick auf die Produktion und Infrastruktur wäre das Paradies extrem anspruchsvoll gewesen. Wir hätten das für die zwei Jahre gemacht, aber dann kam Corona und alle Karten wurden neu gemischt.
Kannst du dich noch erinnern, wie sich mit Corona abzeichnete, dass man möglicherweise gar nicht veranstalten kann?
Das sind Stufen gewesen. Das Erste, das mir sehr stark in Erinnerung geblieben ist, war ein Telefonat mit Lutz Engelhardt im Januar 2020. Wir tauschten uns über die Situation in der Branche aus. Wir waren beide sehr unzufrieden. Uns wurden wirklich coole Künstler angeboten, die aber preislich total utopisch waren. Man überlegt ja immer, wie viele Leute zieht eine Band auf den Platz und wie passt dieses Potenzial zur Gage. Das waren spannende Sachen, die die Arena inhaltlich bereichert hätten, bei denen vielleicht 1200 Leute gekommen wären. Die aufgerufenen Gagen lagen aber weit über dem, was man hätte verantworten können. Das hatte damit zu tun, dass sich die Spirale der Sommerfestivals immer weiter drehte. Bands, die auf einem Festival niemals Headliner gewesen wären, haben aber entsprechende Preise aufgerufen, weil es bei einer Drei-Tages-Kalkulation andere Spielräume gibt, als bei unserem Modell.
Diese Entwicklung hat sich bei ganz vielen Bereichen durchgezogen. Die Produktionen wurden immer größer und aufwendiger – zum Teil völlig sinnbefreit. Es lohnt sich doch nicht, im Juni, wenn es nicht vor 22 Uhr dunkel wird, mit aufwendigen Licht-Konzepten zu arbeiten.
Wir haben einfach eine Tendenz erkannt, die sich vom Thema Nachhaltigkeit immer weiter entfernte. Das ist ja in vielen Lebensbereichen ähnlich. Wenn es einem gut geht, sucht man immer noch nach einem Extra obendrauf, dass es noch ein Tick verrückter und spektakulärer wird. Aber wo ist dann die Decke, an der man sich den Kopf stößt? Das geht ja nicht ewig so weiter. Lutz und ich haben im Januar gedacht: “Was muss denn noch passieren? Es fühlt sich doch irgendwie nicht mehr gut an.” Und zwei Monate später war die Decke dann da.
Am Anfang haben wir uns definitiv nicht gedacht, dass die Einschränkungen durch Corona länger als drei Monate dauern würden. Ich selbst hätte im März nie geglaubt, dass wir 2020 keine Arena veranstalten würden. Im Mai haben wir dann gemerkt, dass es ein ganz schwieriger Umgang mit der Situation ist. Niemand hatte die entsprechenden Erfahrungswerte und keiner konnte absehen, wie lange das dauert. Ich war Teil des Krisenstabs der Stadt und auch dort hatte niemand Vergleichbares erlebt. Keiner hatte eine Blaupause für diese Situation. Aber es war klar: man muss abwägen, aber man muss auch Entscheidungen treffen. Die sind mal besser mal schlechter.
Im ersten Jahr war die vorherrschende Denkweise, dass das vielleicht ein halbes Jahr dauert, wir aber 2021 wieder normal veranstalten können. Es gab einen ständigen Wechsel aus Hoffnung und Enttäuschung. Unser gesamtes Team war zum Jahreswechsel 2020/2021 mental komplett leer. Erst waren alle voll Hoffnung, dass eine kurze Anstrengung reicht und dann ist es geschafft. Aber irgendwann haben wir gemerkt, dass es kein Sprint ist, sondern ein Marathon und darauf muss man sich mental anders einstellen. Das haben wir 2021 schon getan und die Herausforderung angenommen. Aber es gab immer wieder Abgründe, in denen man mental auch mal abgestürzt ist.
Was ist jetzt anders?
Nach den zwei Jahren ist die Situation aus meiner Sicht so, dass wir gerade eine völlige systemische Veränderung des Konzepts Veranstaltung erleben. Ich bin aber überzeugt, dass wir da mit der kulturarena nach wie vor beste Voraussetzungen haben, um ein hervorragendes Festival zu produzieren und zukunftsfähig zu bleiben. Mit der Konstellation auf dem Theatervorplatz haben wir eine schlanke Produktion. Wir haben das feste Haus, müssen keine Bühne mieten, das entlastet die Kostenseite extrem. Ich glaube auch daran, dass in den nächsten Jahren Veranstalter und Agenturen gerade in den Sommermonaten deutlich stärker Größenordnungen wie bei uns suchen werden – weg von den ganz großen Formaten. Das hat mit Produktionskosten zu tun. Für die nächsten Jahre sehe ich eine Phase, in der die Menschen für Freizeit nicht mehr so viel Geld zur Verfügung haben und stärker auswählen werden. Dort müssen wir Qualität in allen Nuancen anbieten. Qualität kann ein Name sein, aber auch eine Nische. Und wir profitieren nach wie vor davon, dass die Arena nicht nur Konzert ist, sondern ein Teil des Sommers der Stadt und der Stadtgesellschaft. Die Menschen schauen sich ein Konzert an, treffen andere Leute, erzählen und das ist unsere Stärke im Vergleich zu anderen Festivalformaten. Deshalb bin ich voller Optimismus, dass die kulturarena auch ihr 40. Jubiläum erleben wird.
Das ist gut zu hören. Gab es in den letzten Jahren existenzielle Gefahren für die kulturarena?
Wenn ich auf die letzten 30 Jahre zurückblicke, fallen mir verschiedene Punkte ein. Es beginnt sicher mit der Schwierigkeit, ein Festival zu etablieren. Da geht es um Akzeptanz. Hilfreich war, dass man schon in den ersten Jahren diese großen Besuchersprünge hatte, dadurch haben alle in der Stadt gesehen, dass der Bedarf oder der Hunger nach einem solchen Festival da ist. Der unbestreitbare Verdienst von Norbert Reif und Lutz Engelhardt. Ein derartiges Festival in der ostdeutschen Provinz der Neunziger war etwas besonders. Sommerfestivals hatten damals bundesweit nicht die Relevanz und Dichte, wie es heute der Fall ist. Es gab das Tanz&FolkFest in Rudolstadt und dann muss man schon lange überlegen. Die Bedeutung von Live-Veranstaltungen war noch nicht so groß, Künstler haben von Tonträgern gelebt.
Ich kam 2000 dazu, als Norbert Reif gehen musste. Damals hat gefühlt die ganze Stadt darauf geschaut, was mit der Arena passiert. Der Druck auf den Schultern von Margret Franz war immens. Ich kann mich an zwei Momente dieser Arena erinnern: Das eine Mal kam Norbert Reif als schwerkranker Mann zu einer Veranstaltung auf den Vorplatz und alle schienen den Atem anzuhalten. Da spürte man, welche Last auf den Schultern einer Produktionsleiterin liegt, die in einer solch emotionalen Situation ein Festival realisieren muss. Gleichzeitig sind solche Phasen immer Gelegenheit für diejenigen, die dem Festival grundsätzlich nicht wohlgesinnt sind. Ich erinnere mich auch noch an den Abschlussabend wenn das Team noch einmal zusammenkommt. Ich saß mit Margret Franz auf der Bühnenkante und sie blickte auf den Vorplatz und in diesem Moment fiel der gesamte Druck von ihr ab.
Die Stärkung und der Erhalt der kulturarena in diesen Jahren ist definitiv eine Leistung von Margret Franz, die mindestens so hoch anzurechnen ist, wie die Arbeit von Norbert Reif.
Heike [Faude] hat als Produktionsleiterin die anschließende Phase geprägt, in der das Festival aus der Findungsphase der 90er Jahre in den “Lebenszyklus” übergeht, wie man in der Betriebswirtschaft sagt. Die 2000er sind vom Einbrechen des Tonträgermarktes geprägt, damit bekam das Live-Geschäft eine andere Bedeutung. Der Wettbewerb in der Branche änderte sich. Plötzlich kamen das Melt, das Splash, das Highfield hinzu. Je mehr sich die Festivallandschaft verdichtete, desto komplizierter wurde das Booking. Heike hat durch ihre Arbeit das Festival in eine Professionalisierungsphase gebracht. Es gibt Gäste, die trauern noch immer ein wenig dieser Improvisationssphase der 90er nach. Das ist auch in Ordnung, aber heute ist es gar nicht mehr möglich ein Festival auf diese Art zu produzieren. Diese Stabilisierung und Professionalisierung war extrem wichtig, um in diesem Wettbewerb bestehen zu können und um das Vertrauen und Standing innerhalb der Stadt zu erreichen.
Eine sehr existenzielle Phase war 2013/2014 als eine Nachbarschaftsbebauung drohte, wo jetzt der Bibliotheksneubau entsteht. Ich erinnere mich noch sehr gut, dass ich einen Termin beim OB Schröter hatte und beim Hinausgehen einen Plan mit der Überschrift “Betreutes Wohnen” sah. Es gab die Idee, neben der kulturarena ein betreutes Wohnen einzurichten. Ich habe dann viel Zeit und Kraft investiert um klarzumachen, dass ein betreutes Wohnen dort keine gute Idee ist. Stefan Wosche, der ehemalige Geschäftsführer von Jenawohnen hat uns damals sehr unterstützt, ebenso wie der damalige Stadtentwicklungsdezernent Denis Peisker oder auch Thomas Dirkes.
Der Druck der Immobilienwirtschaft war groß, schließlich handelte es sich um eine extrem lukrative Innenstadtlage. Aber für eine Stadtentwicklung ist es katastrophal, wenn etwas, das die Innenstadt belebt, für ein Renditeinteresse auf’s Spiel gesetzt wird.
Mit dem Thema haben wir uns ganz intensiv auseinandergesetzt und die Sterne meinten es gut mit uns. Denis Peisker hat damals gegen zahlreiche Widerstände den Ankauf der Fläche mit der Auflage für eine kulturelle Nutzung durch die Stadt Jena durchgesetzt. 2015/2016 konnten wir dadurch an der Gesamtvision arbeiten, die eine neue Bibliothek bedeutete, weil das Volkshaus für eine moderne Bibliothek zu klein wurde und wir im Volkshaus endlich das Kongresszentrum realisieren konnten, das in Jena lange zur Debatte stand. Die kulturarena bekam dadurch Zukunftssicherheit. Das ist eine ideale Situation in einem sehr kurzen Zeitfenster, die nur mit vielen Partnern realisiert werden konnte. Der damalige OB Albrecht Schröter stand ebenfalls sehr dahinter. Und der aktuelle OB Thomas Nitzsche tut es nach anfänglicher Skepsis mindestens genauso. Das waren drei sehr anstrengende Jahre, in denen viel auf dem Spiel stand.
Als letzte Herausforderung kam die Pandemie, aber darüber hatten wir bereits gesprochen.
War die Pandemie auch das reinigende Element für den überhitzten Veranstaltungsmarkt?
Es gibt wohl zwei Seiten. Ich empfinde die Entwicklung aus der Zeit vor 2020 nicht als zukunftsfähig. Aber der Preis, den man für diese Korrektur zahlt, ist hoch, sehr hoch. Noch ist auch nicht absehbar, wo das hinführt. Wir erleben gerade eine große Angebotsdichte. Die Hallensaison, die normalerweise bis Ende Mai läuft, geht in diesem Jahr bis Ende Juli. Im Moment haben alle Angst vor dem kommenden Herbst und Winter, weil viele nicht mehr die finanziellen Rücklagen haben und wissen, dass das Personal bei fehlender Kontinuität nicht zurückkommt. In 2023 ist dann das Altgeschäft abgearbeitet und dann wird es neue Herausforderungen geben. Private Veranstalter tragen außerdem ein ganz anderes Risiko als wir. Wir sind Angestellte des öffentlichen Dienstes, da spreche ich in aller Demut. Jemand, der privat existenziell beteiligt ist, wird anders darüber denken.
Aber auch bei uns sind viele Probleme zu spüren. Bei einer Großveranstaltung braucht man eine Technikfirma, ein Aufbauteam, Sicherheitsunternehmen, Catering – diese Gewerkeketten sind nahezu unendlich. Man braucht die Umsetzer und wer die nicht hat, kann nicht produzieren. Wie empfindlich dieses System geworden ist, konnte man die Tage und Wochen erleben, als ein Konzert von Sting in Leipzig abgesagt wurde, nachdem der Einlass bereits begonnen hatte, weil man einen Corona-Fall festgestellt hat. Oder wenn ein Festival abgesagt werden muss, obwohl 11.000 Tickets verkauft und bereits 4000 Menschen angereist sind, weil ein Teil der Security ausfällt und man keinen Ersatz findet. Deshalb gibt es im Moment zwei Taktgeber, die über die zukünftige Form der Veranstaltungsbranche entscheiden. Das sind zum einen die Besucher mit ihren Wünschen und Ansprüchen und auf der anderen Seite die Leistungsfähigkeit innerhalb einer Produktion. Und das kriegt man auch nicht mit staatlichen Subventionen geregelt.
Es fehlen geschulte Leute, die die Qualität gewährleisten können, die sich die Kunden wünschen. Das führt dazu, dass die Besucher wegbleiben. In diesem Teufelskreis bewegen sich gerade viele und es ist nicht absehbar, wann sich das wieder stabilisiert.
Du hast gesagt, die kulturarena ist auch davon betroffen, allerdings weniger stark als andere Festivals. Wo siehst du die großen Herausforderungen für die nächsten Jahre?
Ich sehe natürlich bei der kulturarena die angesprochene Herausforderung der Produzierbarkeit aufgrund des Personalmangels bei den Gewerken. Das merken wir schon in diesem Sommer. Simples Beispiel: Allein die Dienste für Abendkassen sind im Moment eine wahnsinnige Herausforderung. Die Kolleginnen aus der Touristinformation, die das können, müssen auch ihrer normalen Arbeit nachgehen. Wir haben das Problem, diesen Personalpool mit studentischen Hilfskräften aufzufüllen. Eine Kasse kann man nicht einfach so nebenbei machen und nicht jedem liegt das. Da muss man eingearbeitet werden und Routine sammeln.
Eine weitere Herausforderung wird sein, ob die Summen, mit der die Stadt die kulturarena unterstützt, zukünftig auf diesem Level gehalten werden können, auch wenn diese immer vergleichsweise gering waren. In vielen Bereichen erleben wir aktuell Preissprünge von 20-30%. Wir müssen sechs Wochen produzieren, das muss gut ausbalanciert werden.
Andere Einrichtungen des Eigenbetriebs Jenakultur haben davon profitiert, dass wir die kulturarena so kostengünstig produziert haben, weil jene Bereiche die Zuschüsse brauchen. Da kann es passieren, dass durch höhere Kosten oder geringere Mittel eine Konkurrenzsituation entsteht. Es ist eine Aufgabe der Werkleitung, die Teilbereiche, die sich wirtschaftlich gut führen lassen, auch gut zu führen, damit wir genügend Mittel für die Subventionsbereiche haben, damit diese sich gut entwickeln können.
Aber wir haben auch immer noch die Chancen. Und bin ich nach wie vor 100% überzeugt, dass wir weiterhin mit der Arena ein großartiges Festival in der Stadt haben.
Das auf dem Level bleibt oder noch Potenzial nach oben hat?
Erstens muss man wissen, wo man hin will. Da gibt es zwei Extreme. Den einen ist zum Beispiel Jan Delay viel zu kommerziell. Die wollen wieder tiefer in die Nische. Den anderen ist alles zu experimentell, die wollen mehr große Namen. Aber die Wahrheit liegt in der Mitte. Ich kann mit dem Produktionsaufwand und dem Venue nicht nur Konzerte für 500 Leute fahren. Da braucht es entweder von der Stadt oder vom Land mehr Geld. Vom Land gibt es nicht mehr und bei der Stadt würde man die anderen Kulturbereiche in einen Kannibalisierungsprozess stürzen und das kann nicht das Ziel sein.
Die Lösung liegt also in der Mischung. Und wenn ich mal fünf oder sechs große Namen habe, sind noch 22 Konzerte dabei, in denen ich auch die Nische sehr gut bedienen kann. Festival und Stadt würden es auch nicht aushalten, wenn wir 28 Mal das Level Jan Delay hätten.
Lutz Engelhardt hat im Interview gesagt, dass er nicht über das Rentenalter hinaus arbeiten wird. Gibt es bereits Überlegungen, was passiert, wenn diese große Konstante, die das Festival inhaltlich maßgeblich geprägt hat, aufhört?
Was Lutz auszeichnet, ist, dass er darüber zu einem Zeitpunkt spricht, an dem es für alle noch schwer vorstellbar ist, dass er in Rente geht. Das ist Teil seiner hohen Professionalität und Verantwortung für das Festival. Ich glaube, die spannende Frage ist, wo sieht man die kulturarena in zehn Jahren? Denn die Nachfolge von ihm wird damit verbunden sein, wie man das Festival entwickeln will. Mit dem Gedanken werden wir uns zukünftig stärker auseinandersetzen, aber im Moment freue ich mich vor allem, dass Lutz noch dabei ist und auch noch eine Weile bleibt.
Was die Arena immer ausgezeichnet hat und eine große Stärke bleibt, ist das Teamwork und das Arbeiten auf Augenhöhe zu gleichen Teilen. Das sollte natürlich so bleiben. Wer glaubt, aus der kulturarena ein sechswöchiges extrem kommerzielles Festival machen zu können, hat das Festival nicht verstanden. Da braucht es jemand, der das Festival lebt.
Das ist eine sehr große Verantwortung. Die Arena ist schließlich Teil der Stadtidentität, bei dem fast alle eine Meinung haben.
Es ist wichtig, den Leuten zuzuhören und sie ernst zu nehmen. Da spreche ich jetzt nicht in erster Linie von Künstlerwünschen. Man muss die Sichtweisen auf die Arena kennen, auch wenn man sie vielleicht nicht immer teilt. Wenn wir aufhören, zuzuhören, sind wir auf dem besten Weg, gegen eine Wand zu fahren. Mit Kristjan, Anna, Ina, Daniel, Lutz oder den vielen anderen Leuten, die Teil des Festivals sind, sind wir wirklich gut aufgestellt. Da ist niemand dabei, der das als Ego-Ding fährt. Veranstaltung produzieren ist immer Teamplay. Sechs Wochen sind lang und verlangen vom Team wahnsinnig viel ab. Ich bin wirklich froh, Menschen wie Kristjan und Anna als Produktionsleitung zu haben, auf die wir uns verlassen können und wissen, dass sie das absolut im Griff haben. Denn auch wenn ich es vermisse: ich stehe nicht jeden Tag auf dem Vorplatz und auf der Bühne. Die Produktion machen letztlich die beiden und ich habe tiefstes Vertrauen in ihre Arbeit und auch in die Arbeit von Daniel im Bereich Veranstaltungsmanagement oder Ina, Türk und Sebastian und den anderen im Team. Es ist super, wie sie das Festival durch die letzten zwei Jahre bekommen haben. Und Druck trägt sich am besten, wenn man ihn auf mehrere Schultern verteilt.
Und zum Schluss: Dein Wunsch für diesen Sommer?
Ich wünsche mir, dass wir alle Konzerte mit den Bands erleben, für die die Leute tatsächlich Karten gekauft haben. Und für uns und unsere Gäste wünsche ich mir einfach Leichtigkeit, dass die Leute mal ein bisschen Last wegpacken können, bei der Arena sind, Spaß haben, gute Musik genießen. Einfach leben.
Also im Grunde das, was die kulturarena für viele ausmacht.
Von dem wir in letzter Zeit gelernt haben, dass es nicht selbstverständlich ist. Deswegen weiß man es in einem solchen Sommer wahrscheinlich besonders zu schätzen. Darauf kommt es an.
Hinter diesem spannenden Interview steckt Florian Ernst:
30 Jahre kulturarena – gemeinsam mit Friedrich Herrmann genieße ich ein Privileg, das sonst der „Sendung mit der Maus“ vorbehalten ist und darf hinter die Kulissen blicken. Ich freue mich auf die Eindrücke und darauf, sie zu teilen.